Die Vermessung des Körpers
loszuwerden. Mit einem Antibiotikum kommt man ganz bestimmt nicht sehr weit, weshalb es auch reine Zeitverschwendung ist, dieses Arzneimittel bei Grippe und Erkältungen einzunehmen.
Sind Ihre Zellen lebendig?
Leben sicher festzustellen ist noch schwieriger, wenn man nur einen Teil von etwas potenziell Lebendigem untersucht. Mit Ausnahme einzelliger Geschöpfe erfüllt ein isoliert betrachtetes Organ oder eineZelle nicht sämtliche Kriterien – ein Herz kann sich beispielsweise nicht fortpflanzen.
Im Sprachgebrauch der Biologen ist Leben ein holistischer Begriff, der eigentlich nur auf der Ebene »ganzer« Organismen richtig greift. Wenn ein Tier vom Leben in den Tod übergeht, sieht man nicht sofort in jeder Zelle eine Veränderung, wenngleich diese später freilich doch eintritt. So betrachtet wären ein Tropfen Ihres Blutes oder eine Zelle aus Ihrem Finger per Definition nicht lebendig. Und doch spielt sich darin wesentlich mehr ab als in Ihrem Haar. Man kann nicht behaupten, dass Fleisch und Blut auf dieselbe Weise tot sind wie Haar – Teile belebter Dinge wie Blut oder eine Zelle aus dem Fleisch Ihres Daumens weisen typischerweise einige (aber nicht alle) der Lebensprozesse auf.
Ich fragte eine Zellbiologin, ob sie denke, Zellen seien lebendig, und sie war sich sehr sicher, dass sie es sind. »Das wird besonders dann deutlich, wenn man einen schlechten Tag im Labor erwischt und aus Versehen seine ganzen Zellkulturen abtötet«, erklärte sie. »Zellen sind lebendig, betreiben Stoffwechsel, teilen und bewegen sich – wenn man sie mittels Zeitlupenmikroskopie filmt, sind sie erstaunlich dynamisch, zittern, pulsieren und strecken suchende kleine Finger (Filopodien) und Füßchen (Lamellipodien) aus; manche Zellen kriechen sogar umher. Und natürlich reproduzieren sie sich, manche sogar unablässig, wie die unsterblichen Krebszelllinien. Wenn Zellen sterben, ziehen sie alle ihrer sogenannten Scheinfüßchen ein und ziehen sich zusammen – ihr Kern zerfällt, sie explodieren sozusagen. Dann sind sie vollkommen regungslos und bewegen sich nie wieder. Meiner Ansicht nach sieht man da ganz eindeutig den Unterschied zwischen Leben und Tod!«
Blutzellen sind in dieser Hinsicht etwas knifflig. Im Gegensatz zu den meisten anderen Zellen besitzen sie keinen Zellkern (davon bald mehr) und folgen einfach dem Strom des Blutkreislaufs. Trotzdem spielen sie eine ungeheuer wichtige Rolle dabei, den Rest Ihres Körpers am Leben zu halten.
Eine Reise durch Ihren Blutkreislauf
Wenn Sie den Tropfen Blut betrachten, der aus dem Nadelstich in Ihrer Fingerkuppe hervorquillt, scheint es sich dabei zunächst um eine dunkelrote Flüssigkeit zu handeln, in der keine weiteren Stückchen oder Teilchen erkennbar sind – schmieren Sie aber etwas davon auf einen Objektträger und betrachten Sie das Ganze unter dem Mikroskop, dann werden Sie feststellen, dass Ihr Blut voller kleiner Objekte ist. Einige davon, die roten Zellen, sehen aus wie kleine Lutschtabletten oder winzige getrocknete Aprikosen. Ihre Aufgabe ist es, Sauerstoff von den Lungen ins Körpergewebe zu transportieren.
Diese Zellen sind rot, weil sie hauptsächlich aus einem Protein namens Hämoglobin bestehen (die vielen Proteine in Ihrem Körper sind wichtige Makromoleküle, regelrechte »molekulare Maschinen«). Entzöge man den roten Blutkörperchen das Wasser, bestünde der Rest zu 95 Prozent aus Hämoglobin.
Das große Molekül kann sich ausgezeichnet an Sauerstoff heften und diesen durch den ganzen Körper transportieren. Hämoglobin enthält Eisen, und viele Leute glauben, dass Eisen die rote Farbe der Blutkörperchen auf dieselbe Weise hervorrufe wie beim Rost – der besitzt schließlich ebenfalls einen rötlichen Farbton. Die Farbe ist jedoch reiner Zufall, denn die Eisenatome sind hier in einem Gerüst aus Atomen gebunden, einem sogenannten Porphyrin, und nur in dieser organischen Struktur sind sie für die Farbgebung verantwortlich. Die roten Blutzellen werden im Knochenmark produziert und rasen mit Billionen anderer in der Regel vier Monate lang alle 20 Sekunden durch ihren Körper, bevor sie ausgetauscht werden.
Die anderen bekannten Bewohner Ihres Blutstropfens sind die weißen Blutkörperchen. Von diesen gibt es viele verschiedene Arten, die Verteidigungs- und Reinigungsfunktionen übernehmen. Eine Sorte weißer Blutzellen entsorgt die roten Blutzellen, wenn diese ihre Lebensdauer überschritten haben. Die meisten aber sind auf der Jagd nach
Weitere Kostenlose Bücher