Die Vermessung des Körpers
Zellklumpen. Etwas musste den Zellen Anweisungen erteilen, wie sie sich zu »differenzieren« hatten, um verschiedene Arten von Zellen und verschiedene Strukturen zu bilden. Und das ist die Funktion der DNS.
Die DNS jedoch als »Blaupause« zu bezeichnen, ist irreführend. Eine Blaupause liefert detaillierte Spezifikationen, wo welches Teil genau hingehört, damit man ein Artefakt erstellen oder etwas zusammenbauen kann. Die DNS hingegen verfügt nicht über annähernd genug Informationen, um alles zu spezifizieren, was in einem menschlichen Wesen vor sich geht. Es besteht keinerlei Verbindung zwischen der Anzahl Gene (der Informations-Grundebene der DNS) in einem Lebewesen und seiner Komplexität. Reis besitzt beispielsweise doppelt so viele Gene wie ein Mensch. Das ist jedoch eine grob vereinfachte Sichtweise, wie wir noch sehen werden, wenn wir uns näher mit den Genen beschäftigen.
Es ist also besser, sich die DNS in Ihrer Fingerkuppe (und in allen anderen normalen Körperzellen) als Steuerungssoftware einer komplexen automatisierten Fabrik vorzustellen, mit der man ein Lebewesen vergleichen könnte. Die DNS enthält nicht die Baupläne für sämtliche Gegenstände in der Fabrik. Zudem interagieren weitere Faktoren mit der Software, die Einfluss darauf haben, welche Teile davon zu einer bestimmten Zeit aktiv sind. Wie wir in Kapitel 7 noch genauer sehen werden, spielt die DNS trotzdem eine entscheidende Rolle.
Eindringlinge in unseren Zellen
Die 46 Moleküle der DNS in einem Ihrer Zellkerne stellen nicht die gesamte DNS in dieser Zelle dar. Tatsächlich gibt es dort noch ein bisschen mehr DNS, deren Moleküle man eigentlich für Fremdkörper halten müsste – denn sie stammen nicht aus menschlichen Wesen.
In der Zelle treibend, doch außerhalb des Zellkerns stößt man auf sogenannte Mitochondrien. Diese winzigen Dinger werden manchmal als Kraftwerke einer Zelle bezeichnet, da es ihre Aufgabe ist, den durch die Atmung aufgenommenen (und von den roten Blutkörperchen transportierten) Sauerstoff mit chemischen Substanzen aus der Nahrung zu verbinden, um ATP herzustellen – Adenosintriphosphat, ein Molekül, in dem der Körper Energie speichert. Die Mitochondrien sind so etwas wie biochemische Batterieladegeräte. Besonders bemerkenswert an ihnen ist, dass sie offenbar einmal Bakterien waren, die in einer für beide Seiten profitablen Symbiose zu einem Teil der Zelle geworden sind.
Diese Theorie vom Ursprung der Mitochondrien gibt es schon sei einer ganzen Weile. Im Jahr 2011 wurde sie untermauert, als man feststellte, dass ein gewöhnliches Meeresbakterium mit dem eher langweiligen Namen SAR11 möglicherweise denselben Vorfahren wie unsere Mitochondrien besitzt. Es ist ein bisschen wie mit Menschen und Gorillas – wir haben ebenfalls einen gemeinsamen Vorfahren. Dasselbe scheint auch auf die SAR11-Bakterien und die Mitochondrien zuzutreffen. Ein Genvergleich legt nahe, dass beide derselben bakteriellen Frühform entstammen.
Dieser Vergleich war möglich, weil Mitochondrien eine eigene DNS besitzen – nur 13 Gene, die von unseren Hauptchromosomen im Zellkern unabhängig sind. Im Gegensatz zur »normalen« DNS, die eine Kombination aus beiden Elternteilen darstellt, stammt die mitochondrische DNS nur von der Mutter. Die eingebauten Ex-Bakterien brauchen die Bewegung von etwa 1000 Genen, um zu funktionieren. In grauer Vorzeit waren diese Gene noch an Bord jener ersten Zelle, die zu einem Mitochondrium wurde, doch mit der Zeit liefen alle außer den verbliebenen 13 zu den Chromosomen über.
Die Anzahl der Mitochondrien variiert je nach Zelltypus. In den Leberzellen ist mit über 1000 Mitochondrien pro Zelle die höchste Dichte feststellbar. Mitochondrien haben zwar noch eine Reihe anderer Funktionen, aber ihre Hauptaufgabe ist es, Energie in ATP zuspeichern, dem chemischen Äquivalent einer gespannten Feder in einem Federwerk.
Wenn eine Feder aufgezogen wird, benötigt man Energie, um sie fest zusammenzudrehen. Diese Energie ist so lange in der Feder gespeichert, bis diese losgelassen wird, um einen Mechanismus anzutreiben. Ganz ähnlich speichern die Mitochondrien Energie, indem sie ATP schaffen. Diese ziemlich chaotische Chemikalie enthält ein Brückenpaar, das Phosphoratome mit einem einzelnen Sauerstoffatom verbindet. Solche Brücken (Bindungen zwischen den Elektronen in den Atomen) sind relativ schwach, sodass sie bei einer einfachen chemischen Reaktion brechen und dabei Energie freisetzen. Die
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