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Die Vermessung des Körpers

Die Vermessung des Körpers

Titel: Die Vermessung des Körpers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Clegg
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etwas, das für Schlagzeilen taugte: ein Foto. Röntgen hatte seine X-Strahlen durch die Hand seiner Frau geschickt. Sie durchdrangen das Fleisch, aber nicht den Knochen. Zum ersten Mal in der Geschichte zeigte dieses Foto ein menschliches Skelett im Fleisch. Es war ein Bild der Knochen seiner Frau, das dadurch noch auffälliger war, dass sie ihren Ehering nicht abgelegt hatte (was sie aber offenbar versucht hatte, denn er befindet sich oberhalb des Knöchels). Der Ring sticht als dicker schwarzer Knubbel aus dem Bild hervor.
    Die medizinischen Anwendungsmöglichkeiten dieser Entdeckung lagen so klar auf der Hand, dass bereits im Jahr darauf an der Glasgow Royal Infirmary das erste Röntgengerät installiert wurde. Die Benutzer der medizinischen Röntgenstrahlung haben seitdem niemals zurückgeblickt, und die breite Öffentlichkeit konnte von den Einblicken in den menschlichen Körper gar nicht genug bekommen. Bis ins 20. Jahrhundert hinein veröffentlichten Zeitschriften Baupläne, mit denen sich Amateur-Elektroniker Röntgengeräte selbst zimmern konnten, und als ich ein Kind war, wurden meine Schuhe immer noch mit einem Apparat überprüft, der einem die eigenen Zehenknochen im Innern des Schuhs zeigte.
    Was anfangs niemand wusste, war, dass die Röntgenstrahlen, so wundervoll sie auch sein mochten, mit Risiken verbunden waren. Röntgen vermutete von Anfang an, dass sie eine Form von Licht seien, was sich schließlich auch bewahrheitete. Röntgenstrahlung ist dasselbe wie sichtbares Licht, aber mit einer höheren Energie. Wir wissen, dass Elektronen auf einen höheren Energielevel gebracht werden können, indem sie ein Photon absorbieren, also ein Quant der Lichtenergie. Röntgenstrahlen sind jedoch so energetisch, dasssie Elektronen aus dem Atom sprengen können – deshalb bezeichnet man sie auch als ionisierende Strahlung.
    Für sich betrachtet, ist ionisierende Strahlung ein ganz normaler Vorgang. Sie tritt beispielsweise auf, wenn sich Salz in Wasser löst – Ihre Körperflüssigkeiten enthalten also viele Ionen. Doch wenn ionisierende Strahlung auf Körperzellen trifft, kann sie freie Radikale erzeugen – hoch reaktive Moleküle, die das Krebsrisiko erhöhen. (Die natürliche Abwehr des Körpers gegen freie Radikale sind Antioxidante, weshalb Nahrungsmittel, die Antioxidante enthalten, oft als gesund angepriesen werden. Dabei deutet alles darauf hin, dass sich mit der Nahrung aufgenommene Antioxidante nicht mit den körpereigenen zusammentun. Der Nutzen ist also gleich null.)
    Da im Körper die Gefahr einer Ionisierung durch hochenergetische Photonen besteht, ist es besser, wenn man sich intensiver Röntgenstrahlung gar nicht erst aussetzt. Deshalb bedienen die Röntgenassistenten ihre Gerätschaften auch hinter einer Schutzscheibe. Die Strahlungsmengen, die man als Patient abbekommt, sind jedoch sehr gering, insbesondere im Vergleich mit der natürlichen Strahlung, der wir ständig ausgesetzt sind. In der Luft um uns herum gibt es immer ein gewisses Maß an Strahlung aus natürlichen Quellen. Ein Röntgenbild des Brustkorbes beispielsweise entspricht ungefähr derselben Strahlungsmenge, der man auf einem zehnstündigen Flug ausgesetzt ist.
Protonenschnipsen
    Um herauszufinden, was im menschlichen Körper passiert, ohne diesen aufschneiden zu müssen, steht den Ärzten heute ein wesentlich breiteres Spektrum durchdringender Strahlung zur Verfügung. Ein CT-Scan etwa ist zwar immer noch eine Röntgenaufnahme, doch eine, die wesentlich weiter reicht als alles, was vor dem Computer möglich war. CT steht für »Computertomografie«, was ein wenig beängstigend klingt, wenn man bedenkt, dass bei einer Tomografie eigentlich Dinge in ganz dünne Scheiben geschnitten werden. Hier jedoch liefert die Röntgenaufnahme eine Serie von Schnappschüssen desuntersuchten Körperbereichs. Durch eine komplizierte mathematische Methode (daher der »Computer« im Namen) werden die aus verschiedenen Blickwinkeln erstellten Daten in ein vielschichtiges, detailliertes Bild umgerechnet.
    Der andere bekannte Körperscan ist die Magnetresonanztomografie, kurz: MRT. Anfangs lautete die Bezeichnung noch NMRT mit einem »N« für »nuklear«, doch man ließ den ersten Buchstaben weg, weil er mit radioaktiver Strahlung assoziiert wurde. Die Sorge war jedoch unberechtigt, da der ursprüngliche Name lediglich darauf hinwies, dass bei dem Verfahren die Atomkerne (Nuklei) der untersuchten Person beobachtet werden. Die Patienten werden also

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