Die Vermessung des Körpers
Jahr 1990. Darin werden menschliche Wesen aus der künstlichen Schutzatmosphäre einer Mars-Siedlung ausgestoßen und blähen sich unförmig auf, bis ihr Kopf eklig zerplatzt.
Der Mars besitzt jedoch eine dünne Atmosphäre (mit etwa einem Prozent des atmosphärischen Drucks der Erde), und selbst im All würde eine solche Aufblähung und Explosion durch den Unterdruck nicht stattfinden. Es wäre freilich etwas unangenehm, weil Gas durch die Körperöffnungen entströmen würde, aber es besteht keinerlei Gefahr, dass sich der Kopf wie ein Ballon aufbläht. Es stimmt allerdings, dass die Körpersäfte zu kochen beginnen würden. Je niedriger der Druck, desto niedriger der Siedepunkt aller Stoffe – im Weltall, wo praktisch überhaupt kein nennenswerter Druck herrscht, würden einem daher rasch die Augen austrocknen, weil das Wasser in ihnen anfangen würde zu kochen. In einigen Science-Fiction-Geschichten kocht auch das Blut in den Adern – ein furchtbarer Abschied aus dem Leben –, doch der NASA zufolge reicht der Druck der Haut und des Kreislaufsystems aus, um einen wenigstens davor zu bewahren.
Des Weiteren wird befürchtet, dass man unter den extrem niedrigen Temperaturen im All auf der Stelle gefriert. Denken Sie aber einmal daran, wie eine Thermosflasche ihren Inhalt über lange Zeit heiß hält. In einem Vakuum kann Hitze nur in Gestalt von Licht verströmen. Wir erhalten die Hitze von der Sonne in Form von Licht, das problemlos den leeren Raum durchdringt. Zugegeben – der menschliche Körper besitzt eine eigene Infrarotstrahlung, gibt also ein gewisses Maß an (unsichtbarem) Licht ab. Doch die meiste Wärme, die wir abgeben, verlieren wir normalerweise durch Wärmeleitung. Die Wärme in unserer Haut – wo mit thermaler Energie aufgeladene Atome nervös herumzappeln – wird an die Atmosphäre weitergegeben. Unsere Atome zappeln also ein bisschen weniger und die der Atmosphäre ein bisschen mehr. Das kommt im Vakuum nicht vor.
Man würde also Wärme verlieren, aber nicht besonders schnell. Was einen tatsächlich im Weltall umbringen würde, wäre schlicht der Mangel an Atemluft, und das würde schon ein paar Sekunden dauern. Die NASA hat sogar Erfahrungen mit diesem Szenario gemacht, als 1965 bei einem Versuch in einer Vakuumkammer der Anzug einer Testperson leckte. Das Opfer (das überlebte) blieb in der luftleeren Kammer noch etwa 14 Sekunden lang bei Bewusstsein. Der NASA zufolge ist die exakte Überlebensdauer zwar nicht genau bekannt, müsste aber zwischen ein und zwei Minuten betragen.
Es besteht also kein Zweifel daran, dass Kleidung eine wichtige Überlebenshilfe sein kann. Die meisten Menschen sind in ihrem Alltag jedoch lediglich mit Umweltbedingungen konfrontiert, unter denen viele Tiere mit einem bisschen Fell und etwas Hornhaut an den Pfoten ausgezeichnet zurechtkommen. Wie die Anhänger der Freikörperkultur demonstrieren, ist das Tragen von Kleidung oft mehr eine gesellschaftliche Entscheidung denn ein unverzichtbarer Schutz. Es ist eine Entscheidung, die wir bereits vor langer Zeit getroffen haben: Gewebte Stoffe gab es schon vor mindestens 27 000 Jahren. Das weiß man, weil bei Ausgrabungen in einer Siedlung im tschechischen Pavlov Ton mit Abdrücken gewebter Stoffe auf der Oberfläche gefunden wurde.
Das ist aber bei Weitem nicht der älteste Kleiderfund, der uns vorliegt. So wurden in dem russischen Dorf Kostenki 40 000 Jahre alte Knochennadeln gefunden. Offenbar wurden sie benutzt, um Tierhäute zusammenzunähen und daraus Kleidung zu fertigen. Die besten Rückschlüsse darauf, wie lange die Menschheit schon Kleider trägt, bietet jedoch die bescheidene Laus.
Ein lausiger Maßstab
Als Robert Hooke 1665 sein Buch Micrographia veröffentlichte (siehe S. 62), sorgte vermutlich die herausfaltbare Illustration einer Laus für das höchste Entzücken und den größten Ekel. Vergrößert betrachtet, sind Läuse richtig böse aussehende, aufs Blutsaugen spezialisierte Parasiten, die auf der Haut ihres Wirtes leben und sich an demBlut darunter gütlich tun. Wie viele Eltern von Grundschulkindern wissen, hält sich die Kopflaus ausschließlich in ihrer Lieblingsumgebung auf – der Kopfhaut. Niemals finden sich verirrte Kopfläuse an anderen Stellen des Körpers. Die Kopflaus hat jedoch einen Vetter, der weniger wählerisch ist.
Die menschliche Körperlaus entwickelte sich vor etwa 100 000 bis 50 000 Jahren aus der Kopflaus. Es gibt zwar keine Läuse aus dieser Zeit mehr, an denen man das
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