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Die Vermessung des Körpers

Die Vermessung des Körpers

Titel: Die Vermessung des Körpers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Clegg
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ersten Lebensjahre eines Primaten, die mit reiferem Alter normalerweise verschwinden.
    Nebenbei bemerkt: Dieser Mechanismus, nach kooperativem Verhalten zu selektieren und somit eine kindliche Version eines Tieres zu erhalten, ist etwas, das der Menschheit seitdem immer wieder bei ihren Haustieren gelungen ist. Der Hund beispielsweise hat viel mehr mit einem Wolfsjungen gemein als mit dem ausgewachsenen Wolf, von dem er abstammt. Das ist nicht nur graue Theorie. In einem faszinierenden Langzeitexperiment von den Fünfzigern bis in die Neunzigerjahre züchtete der russische Genforscher Dmitri Beljajew russische Silberfüchse selektiv nach sanftmütigem Verhalten und zeigte, wie es dem Frühmenschen gelungen war, aus dem Wolf einen Hund zu machen.
    Innerhalb dieser vierzig Jahre – ein immens langes Experiment, aber in evolutionären Dimensionen eine kurze Zeitspanne – wurden die Abkömmlinge der Füchse unseren Haushunden immer ähnlicher. Die Form ihres Gesichts veränderte sich und wurde etwas runder. Die Ohren standen nicht mehr aufrecht, sondern hingen hinab. Ihre Schwänze wurden schlaffer. Ihr Fell war in seinem Erscheinungsbild nicht mehr uniform, sondern wies zunehmend Farbvarianten und Muster auf. Sie verbrachten mehr Zeit mit Spielen und suchten regelmäßig die Führung durch ein erwachsenes Tier. Je kooperativer sie wurden, desto mehr nahmen sie die Gestalt und die Verhaltensmuster übergroßer Fuchsjungen an.
    Doch zurück zu den Menschen. Als die Vormenschen immer kooperativer und damit infantiler wurden (im Wissenschaftsdeutsch: neotenisch), verloren sie dabei einen Großteil ihrer Behaarung, bis sie den heutigen Menschen ähnelten, deren Erscheinungsbild mehr oder weniger unbehaart ist. Abgesehen freilich von unserem Kopf. Haupthaar sprießt bisweilen sehr üppig und hört im Gegensatz zu unserer restlichen Körperbehaarung (und der anderer Säugetiere) nicht auf zu wachsen.
    Was unseren generellen Mangel an Behaarung betrifft, so gibt es dafür mehrere plausible Erklärungen. Es ist gut möglich, dass alle unsere Haare ursprünglich etwa dieselbe Länge beibehielten, doch mit der Zeit wirkte sich die natürliche Auslese zugunsten einer stetigwachsenden Kopfbehaarung aus. Dies könnte darin begründet sein, dass diejenigen, deren Haupthaar aufgrund einer Mutation dauerhaft wuchs, ein besser geschütztes Gehirn hatten. Vielleicht war es auch ein Nebeneffekt, weil man nun Kleider trug und der Kopf ein schützendes Fell am nötigsten hatte. Es könnte auch sein, dass die Kopfbehaarung den besten Schutz vor der prallen Mittagssonne bot, was sehr angenehm sein kann (wie jeder Mann mit einer Glatze gern bestätigen wird). Vielleicht gibt es auch noch eine weitere, ganz andere Erklärung.
    Den »Grund« für ein evolutionäres Merkmal zurückzuverfolgen, ist ungeheuer schwierig, weil man nicht direkt beobachten kann, was genau geschehen ist, und sich eine bestimmte Theorie auch nicht im Experiment überprüfen lässt. Es ist ein bisschen so wie eine Nachrichtenanalyse, die besagt, der Aktienmarkt sei »wegen mangelnden Vertrauens in die Regierung« oder aus sonst einem Grund eingebrochen. Niemand kann mit Gewissheit sagen, warum der Markt genau so reagiert hat, und ebenso wenig lässt sich nachweisen, warum die Menschen ein bestimmtes Merkmal herausgebildet haben. Man kann nichts anderes tun, als Mutmaßungen anzustellen.
Verloren im All
    Da wir nun einmal großteils unbehaart sind, sind Kleider unter bestimmten Umständen eine Überlebensnotwendigkeit. Ob man nun in die Tiefen des Meeres oder zum Nordpol vordringt – die Kleidung ist dabei stets Teil der Ausrüstung. Das vielleicht beste Beispiel für die Schutzfunktion von Kleidung ist, wenn sich jemand im Weltall befindet. Der menschliche Körper ist für die Extreme des Weltraums nicht geschaffen. Dort herrschen unglaublich niedrige Temperaturen – bis zu −270 Grad Celsius. Es gibt keine Atmosphäre. Die Bedingungen sind buchstäblich außerirdisch. Und doch unternehmen Astronauten regelmäßig Weltraumspaziergänge, bei denen sie einzig durch ihre Spezialkleidung geschützt sind.
    Es ist möglich, kurzzeitig auch ohne den richtigen Schutz im All zu überleben. Hollywood führt gerne vor, was einem schutzlos ausgelieferten menschlichen Wesen passieren würde. Diese Darstellungen sind zum Teil wundervoll falsch. Das beste Beispiel hierfür ist der auf einer Geschichte von Philip K. Dick basierende Film Total Recall mit Arnold Schwarzenegger aus dem

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