Die Vermessung des Körpers
heißen Tages, ein Sommer sei viel wärmer gewesen, als er es tatsächlich war. Daneben neigen wir dazu, jüngeren Erfahrungen größeres Gewicht zu verleihen. Eine regenreiche Woche am Ende eines herrlichen Schönwettermonats lässt uns klagen, es werde überhaupt nicht mehr Sommer.
Ein anderes Problem mit den Erinnerungen ist, dass sie oft auf unserer Fähigkeit basieren, zu beobachten und Informationen zu sammeln. Wie wir jedoch gesehen haben, ist das Bild, das unser Gehirn zeigt, ein äußerst subjektives Konstrukt. Das kann leicht dazu führen, dass man Dinge sieht, die gar nicht da sind, oder Dinge nicht sieht, die aber da sind. Diese Fehler werden danach als Fakten gespeichert und abgerufen. Vor einiger Zeit erwähnte jemand, er habe mich mit dem Hund draußen gesehen, als ich gerade am Mobiltelefon gesprochen habe – eine ziemlich detaillierte Beobachtung. Das einzige Problem war, dass ich an dem betreffenden Tag weder zu Hause gewesen war noch meinen Hund Gassi geführt hatte. An diesem Punkt wird der ganze Wust aus Beobachtung, Wahrnehmung und Erinnerung potenziell gefährlich.
Stellen Sie sich bloß vor, die Person, die mich zu sehen geglaubt hatte, wäre kurz darauf Zeuge eines Mordes geworden, der von eben derjenigen Person verübt worden wäre, die er sah. Im Brustton der Überzeugung hätte er vor Gericht ausgesagt, mich dabei beobachtet zu haben, wie ich dieses Verbrechen begangen hätte, obwohl ich doch gar nicht dort war. Wenn sich ein Gerichtsverfahren ausschließlich auf Zeugenaussagen gründet, insbesondere auf Erinnerungen an weiter zurückliegende Ereignisse, ist das ziemlich beängstigend.
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Experiment – Zählen Sie die Pässe
Dies ist ein sehr bekanntes Experiment, aber probieren Sie es bitte aus, auch wenn Sie die Originalversion kennen. Hier handelt es sich um eine neue Version, die trotzdem interessant ist, wenn Sie sie bis zum Ende durchspielen. Gehen Sie zu www.universeinsideyou.com , klicken Sie Experiments an, und wählen Sie Counting the passes . Man wird Sie bitten, mitzuzählen, wie oft jemand in Weiß einen Ball abgibt. Bei dem schnellen Spiel ist es schwierig, den Überblick zu behalten (es geht um Zahlen und Erinnerungsvermögen), also muss man sich sehr darauf konzentrieren, wer den Ball abgibt.
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Wenngleich es nicht bei jedem funktioniert, gelingt es doch über 50 Prozent der Teilnehmer nicht, genau zu beobachten, was in diesem einfachen Video passiert. Es ist nicht besonders überraschend, wie oft das Gehirn sich irrt. Häufig sind solche Fehler eher unterhaltsam als besorgniserregend – optische Täuschungen beispielsweise können großen Spaß machen. Wenn wir uns jedoch darauf verlassen müssen, dass wir uns genau erinnern können, was wir unter verwirrenden Umständen gesehen haben, dann sollten wir uns dabei stets der Grenzen unserer Hirnkapazität bewusst sein.
Unser Gedächtnis lässt uns oft auf überraschende Weise im Stich. Wir erinnern uns beispielsweise an ein Gesicht, das wir klar deutlich vor unserem geistigen Auge sehen, doch fällt uns kein Name dazu ein. Es ist durchaus möglich, dass man die eigene Telefonnummer vergisst, selbst wenn diese eine einfache Ziffernfolge ist, die man ab und zu benutzt. Am frustrierendsten aber ist vielleicht, dass man sich häufig nur an die halbe Geschichte erinnern kann – manchmal weiß man ganz genau, dass da noch etwas war, das man sich merken musste, kann sich aber nicht mehr erinnern, was!
Fix kontra schwammig
Einer der Gründe dafür, dass man das Gedächtnis so leicht falsch einschätzt, ist, dass wir mit Computern vertraut sind und annehmen, dass deren Datenspeicherung dem menschlichen Gedächtnis ähnelte. Das ist jedoch nicht der Fall.
Die Computerspeicherung besteht aus einem bestimmten Wert – null oder eins –, der an einem bestimmten Ort abgelegt wird. Jeder dieser Orte besitzt eine Adresse. Man kann den Ort direkt aufsuchen und den Wert finden. Deshalb ist der Computer auch ganz prima, wenn man beispielsweise eine Nummer sucht, denn er vergisst nicht einfach eine Telefonnummer, wenn er gerade in Eile ist. Ihr Gehirn hingegen speichert eine Erinnerung weder an einem einzelnen Ort, noch verfügt es über einen direkten Weg zu einem bestimmten Wert. Informationen sind als Muster und Bilder abgelegt, weshalb sich Ihr Gehirn eine Telefonnummer schwerer merken kann, sich jedoch wesentlich leichter als Ihr Computer damit tut, ein Gesicht wiederzuerkennen.
So wird’s gemacht
Das Gehirn verfügt
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