Die Vermessung des Körpers

ich diese Technik kennenlernte, beschloss ich, sie einmal auszuprobieren. Zufällig ging ich in der Mittagspause in eine Apotheke und nahm mir vor, mir den Namen der erstbesten Person mit Namensschild zu merken, der ich dort begegnen würde. Sie hieß Ann Hibble, ein Name, an den ich mich bis zum heutigen Tag erinnere. Das Bild, das ich dafür entwarf, war ein großes lila Nilpferd (engl. hippopotamus ), das aus dem Fußboden der Apotheke herausragte und an den Zehen der Frau herumnibbelte. Ein nibbelndes Hippo ( a hippo nibbling ) – Ann Hibble.
    Wie bereits erwähnt, als wir uns mit der rechten und linken Hirnhälfte befasst haben, setzen Dinge wie Farben, Bewegung oder Muster jeweils bestimmte Funktionen im Gehirn in Gang. Verwendet man Bilder mit Farben, Bewegung und Mustern, sorgt dies dafür, dass neben den anderen Gehirnmodulen, die von Natur aus eher für Wörter zuständig sind, auch diese Bereiche des Gehirns zugeschaltet werden. Erinnerungen werden auf beiden Seiten des Gehirns gespeichert, also hilft jede Kleinigkeit.
    Bei dieser Merktechnik für Namen wird das Gehirn in die Irre geführt. Man gibt vor, etwas zu tun, das mehr den Aufgaben ähnelt, für die sich das Gehirn ursprünglich entwickelt hat. Die Menschen erkennen von Natur aus Muster, Formen und Bilder in ihrer Umgebung. Verpasst man also einem Namen ein Bild, dann versteckt man die Wörter hinter der Optik und bringt das Gedächtnis dazu, sie bereitwilliger zu akzeptieren.
    Wahrscheinlich würde ich mich trotzdem nicht mehr an den Namen Ann Hibble erinnern, hätte ich meine Erinnerung nicht konstant dadurch erneuert, dass ich ständig diese Geschichte erzähle. Wenn man etwas langfristig im Gedächtnis behalten will, ist es unabdingbar, es ständig zu wiederholen – man muss es regelmäßig ausgraben, neu durchdenken und dadurch die Neuronalverbindungen stärken. Idealerweise sollte dies in stetig größer werdenden Schritten erfolgen: vielleicht nach einer Stunde, einem Tag, einer Woche, einem Monat, sechs Monaten, einem Jahr … wenn man es so macht, hat man gute Chancen, dass einen diese Erinnerung niemals verlässt.
Notieren Sie sich meine Telefonnummer
    Namen lassen sich mit Objekten und Bildern verknüpfen, Zahlen hingegen sind abstrakter und dem Gehirn noch wesentlich fremder. Wenn man eine Zahl zum ersten Mal sieht, steht man vor dem Problem, dass das Kurzzeitgedächtnis nur eine sehr begrenzte Anzahl von Speicherplätzen hat. Man kann nur an etwa sieben verschiedene Dinge gleichzeitig denken, ohne dass etwas herausfällt und verloren geht. Eine typische Telefonnummer besteht aber möglicherweise auself Ziffern, was leider jenseits der Kapazität unseres Kurzzeitgedächtnisses liegt.
    Hier kommt eine erfundene Telefonnummer: 02073035629. Betrachtet man sie als elf separate Ziffern, ist es so gut wie unmöglich, sie sich zu merken, weshalb man Telefonnummern traditionell in Blöcke aufteilt. Man kann einen Zahlenblock als Einzelinformation speichern und dann das ganze Ding ins Kurzzeitgedächtnis stecken, bis man die Nummer schließlich auswendig weiß.
Ich kenne diese Flosse doch von irgendwoher
    Das Gedächtnis ist freilich nichts, worüber ausschließlich wir Menschen verfügen. Jeder, der regelmäßig mit Tieren in Kontakt ist, weiß, zu welchem Ausmaß ihr Verhalten vom Gedächtnis bestimmt ist. Selbst die bescheidenen Goldfische sind ohne weiteres in der Lage, sich Dinge zu merken. Das ist in gewisser Weise schade, denn aus dem Mythos, ein Goldfisch hätte nur ein Drei-Sekunden-Gedächtnis, sind hervorragende Witze entstanden: »Bloß weil mein Gedächtnis nur drei Sekunden zurückreicht, denken Sie, das Fischfutter würde mir nicht langweilig werden … Oh, lecker! Fischfutter!«
    Jeder, der einmal einen Goldfisch gehalten hat, wird jedoch festgestellt haben, dass sich die Tiere ausgezeichnet Dinge merken können – etwa, dass sie auf ein Signal vor der Fütterung in einen bestimmten Bereich des Aquariums oder Teichs kommen sollen. In einer Fernsehsendung gelang es sogar, Goldfischen den Weg durch ein Labyrinth beizubringen. Die Vorstellung, dass Goldfische nur ein Drei-Sekunden-Gedächtnis besäßen, ist ein moderner Mythos, der vermutlich Gedächtnis und Intelligenz in gewisser Weise gleichsetzt. In Wahrheit aber besteht zwischen den beiden nur eine sehr dürftige Verbindung.
Die Gehirnskizze
    Das menschliche Gehirn ist zweifelsfrei die Krone der Schöpfung. Eine der bemerkenswertesten Möglichkeiten, die Kapazitäten des