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Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing

Titel: Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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sich zu mir um. » Alles klar dahinten? Bereit für den großen Auftritt?«
    Sein leutseliger Ton prallte an mir ab. Dass er mich für etwas verhaftete, das ich nicht getan hatte– und was mir nicht einmal im Traum einfallen würde–, lag mir zu schwer im Magen. Ich antwortete ihm nicht. Stattdessen knetete ich nur nervös die Hände im Schoß. Ich fror entsetzlich und war zudem seltsam abwesend– als würde das alles nicht mir passieren.
    Freeman zeigte nach vorn. » Wenn man durch diese Tür geht, kommt man zum Haftbeamten. Sie müssen nichts weiter tun, als DC Smith zu folgen und stehen zu bleiben, wenn er es Ihnen sagt.«
    Ich nickte stumm, und als Smith die Wagentür öffnete, stieg ich anweisungsgemäß aus und folgte ihm eine Rampe hinauf und dann durch eine Tür mit der Aufschrift » Untersuchungshaft«. Ich wagte es nicht, nach links und rechts zu schauen, sondern richtete meinen Blick starr auf seinen breiten Rücken und versuchte mit ihm Schritt zu halten. Hinter mir ertönte ein Pfiff, so schrill und unerwartet, dass ich zusammenzuckte. Er war wie ein Signal für die bis dahin schweigende Menge im Hof. Während sich die Tür hinter mir schloss, hörte ich einen Schwall von Buhrufen und hässlichen Kommentaren. In einer Glastür, durch die wir gingen, erkannte ich mein Spiegelbild und empfand diffuses Mitleid für die junge Frau im fröhlich gestreiften T-Shirt und in der verwaschenen Jeans, mit dem für ihren kleinen Kopf viel zu schwer wirkenden Wust blonder Locken, dem wie versteinert wirkenden Gesicht und den vor Angst weit aufgerissenen Augen.
    Das Erste, was mir auffiel, war der Geruch. Über dem süßlichen Gestank von Erbrochenem lag der Duft von Desinfektionsmittel. Der Fußboden war leicht klebrig, sodass meine Sandalen beim Gehen an den Füßen zogen. Ich war so nervös, dass ich meine Beine kaum spürte. Mein Magen krampfte sich zusammen.
    Dann erreichten wir einen Gang, der fast vollständig von einem großen Schreibtisch versperrt wurde. DC Smith stolzierte darauf zu. Dahinter stand eine Beamtin, eine mütterliche Frau mit blitzblankem, rosigem Teint. Sie schaute zuerst mich an, dann wieder Smith. Gleichgültig fragte sie: » Na, wen haben wir denn da?«
    » Servus, Chefin«, sagte Smith mit einem Nicken und stellte sich ein wenig aufrechter hin wie ein Kind, das den kleinen Katechismus aufzusagen hat. » Ich bin DC Thomas Smith, und das ist Sarah Finch. Sie wurde von mir auf Anweisung von DCI Vickers heute Mittag um 12.25 Uhr in der Curzon Close 7 unter Verdacht des Mordes an Jennifer Shepherd verhaftet.«
    Ich hörte Schritte, und plötzlich stand Vickers neben mir. Ich schaute an ihm vorbei und sah Blake an der Wand lehnen. Er hatte die Hände in den Taschen und starrte ins Leere. Ich war mir sicher, dass er meinen Blick spürte, aber nichts auf der Welt hätte ihn wohl dazu gebracht, mich anzusehen. Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Vickers, der die Umstände meiner Festnahme bestätigte. Meiner Festnahme.
    Die Haftbeamtin beugte sich über den Tisch. » Nur noch ein paar Fragen an Sie.« Ihr Tonfall war sachlich und routiniert.
    Die Fragen bezogen sich allesamt auf mein Wohlergehen, und ich beantwortete sie im Flüsterton. Nein, ich sah mich nicht als gefährdete Person an. Nein, ich hatte keine besonderen Bedürfnisse. Nein, ich nahm keine Medikamente und brauchte auch keinen Arzt.
    » Und möchten Sie einen Anwalt konsultieren?«, wollte die Beamtin als Nächstes wissen und klang dabei, als nähere sie sich dem Ende eines schon zahllose Male hergebeteten Textes.
    Ich zögerte erst und schüttelte dann den Kopf. Anwälte nahmen sich nur solche Leute, die etwas zu verbergen hatten. Ich hingegen hatte mir nichts zuschulden kommen lassen. Bestimmt konnte ich meine Unschuld viel besser– und wahrscheinlich auch viel schneller– erklären, wenn ich nicht erst einen Anwalt hinzuzog.
    » Also nein«, konstatierte sie und vermerkte dies auf dem Formular. » Bitte zeichnen Sie den Haftaufnahmebericht ab, und unterschreiben Sie in diesem Kästchen.«
    Ich nahm den Stift, den sie mir entgegenhielt, und setzte meine Unterschrift an die vorgeschriebene Stelle. Alles den Vorschriften entsprechend erledigt.
    Dann leerten sie an Ort und Stelle meine Taschen, und nahmen mir eine alte, ausgeblichene Quittung, etwas Kleingeld und einen Knopf ab, den ich eigentlich hatte annähen wollen. Meine Tasche und mein Gürtel verschwanden ebenfalls. Schnürsenkel oder sonstige Gegenstände, mit

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