Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing
heftig keuchte, als wäre er den ganzen Hang hinaufgerannt. Er packte mich am Arm und zerrte mich so heftig weg von Danny, dass ich fast hinfiel.
» Was ist denn hier los, Milesy?«, fuhr er den jungen Beamten an, der Danny bewachen sollte und jetzt mit schuldbewusster Miene angestolpert kam. » Ihre Anweisung war, ihn zu isolieren!«
Dannys Blick huschte zwischen Blake und mir hin und her, und ein leichtes Runzeln erschien auf seiner Stirn. Ich fragte mich, was er wohl in Blakes Gesicht gesehen hatte. Doch noch bevor er etwas sagen oder Milesy eine Erklärung stammeln konnte– dass sie sich wegen des Wetters schließlich unterstellen mussten und es keine andere Möglichkeit gab–, schob ich Blakes Hand von meinem Arm und lief los nach unten, nur weg von den anderen und ohne zu wissen, wohin ich wollte. Ich musste sehr aufpassen, wohin ich trat, damit ich auf dem Weg zwischen den Bäumen hindurch nicht an Wurzeln hängen blieb. Ich vergaß, meine Kapuze aufzusetzen. Die Regentropfen fielen mir auf den Kopf und liefen mir die Haare hinunter. Der Boden glitzerte vor Nässe, die Baumstämme sahen aus wie glasiert, und überall fielen fette Tropfen von den Blättern. Einer davon landete in meinem Nacken. Ich spürte, wie er mir den Rücken hinunterlief und von meinem T-Shirt aufgesogen wurde.
Hinter mir hörte ich Geräusche: Blätterrascheln und knackende Zweige. Jemand hatte es ziemlich eilig, und es überraschte mich nicht, als Blake mich zu sich herumwirbelte. Sein Gesicht war wutverzerrt.
» Bist du jetzt zufrieden? Hast du erreicht, was du wolltest?«
» Das hatte ich so nicht geplant. Wie hätte ich auch? Du hattest mir ja versichert, dass er nicht in meine Nähe kommen würde.«
» Und ich habe dich auch dringend gebeten, dich von ihm fernzuhalten. Schon vergessen?«
» Ich wollte ja gerade von ihm weggehen…«
» Aber dann dachtest du dir, du könntest ihm ja auf die Schnelle noch ein paar Fragen stellen.«
» Ich hatte gehofft, dass er mir vielleicht Dinge erzählt, die er euch gegenüber nicht äußern würde«, verteidigte ich mich hilflos. » Ich dachte, dass er mir eher die Wahrheit sagt, da er ja offensichtlich Gefühle für mich hegt.«
» Wenn das in unserem Sinne gewesen wäre, dann hätten wir dich darum gebeten. Und bestimmt hätten wir dafür einen geeigneteren Ort gewählt als eine Eisenbahnböschung, wo ein eventuelles Geständnis weder aufgezeichnet noch überprüft werden kann.« Blake ging ein paar Schritte weiter und blieb kopfschüttelnd wieder stehen. Dann drehte er sich zu mir um. » Für so was gibt es ganz bestimmte Vorgehensweisen, Sarah. Einfach wahllos Fragen zu stellen ist nicht sehr professionell.«
» Stimmt«, fauchte ich zurück und fühlte Wut in mir aufsteigen. » Und weshalb kriegst du dann keine brauchbare Strategie zustande, wenn du so ein toller Experte bist? Wieso habt ihr ihn noch nicht dazu gebracht, den Mord an Jenny zu gestehen? Dafür muss es doch Beweise geben. Spuren, DNA, was weiß ich. Ihr müsst doch Möglichkeiten haben zu verhindern, dass er ungestraft davonkommt. Den Shepherds ist der Mord an Geoff völlig egal. Sie wollen nichts weiter als Gerechtigkeit für ihre Tochter.«
» Tja, da werden sie noch ein bisschen Geduld haben müssen. Die Staatsanwaltschaft will im Moment noch keine Anklage gegen ihn erheben. Alles beruht ihrer Ansicht nach derzeit nur auf Indizien. Für jeden einigermaßen fähigen Verteidiger wären unsere spärlichen Erkenntnisse im Gerichtssaal ein gefundenes Fressen. Wir brauchen mehr Beweise, und denen sind wir auch auf der Spur, davon kannst du ausgehen. Wir können ihm schon einiges nachweisen: den Überfall auf Geoff, die Vergewaltigung von Jenny und die Herstellung und Verbreitung von Kinderpornographie. Dafür wird er sich vor Gericht verantworten müssen. Das kann zwar ein Weilchen dauern– die juristischen Mühlen mahlen bekanntlich langsam–, aber man wird ihn zur Verantwortung ziehen. Von Davonkommen kann keine Rede sein, Sarah.«
Enttäuscht kehrte ich ihm den Rücken zu. » Aber das reicht nicht.«
» Mehr haben wir zur Zeit nicht zu bieten.« Blake machte eine kurze Pause und sprach dann mit weitaus sanfterer Stimme weiter. » Aber deshalb sind wir nicht hier. Vielleicht hast du es dir schon gedacht– ich bin zu dir hochgekommen, weil ich dir sagen wollte, dass wir auf menschliche Überreste gestoßen sind.«
Nun war es also offiziell. Ich wusste es schon, seit ich den Aufruhr gehört hatte, aber der
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