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Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing

Titel: Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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musste ich feststellen, dass sie mir kaum Platz zum Aussteigen ließ.
    » Ich habe nur ein paar Fragen.«
    Ich baute mich zu meiner vollen Größe auf, die jedoch von ihr um einiges überragt wurde. Wieder einmal bedauerte ich, dass ich einfach zu klein war, um auf andere herabschauen zu können. Aber was bedeutet schon Körpergröße, wenn man moralisch überlegen ist…
    » Jetzt muss ich aber wirklich hinein und mit meinen Schülerinnen sprechen. Ich bin ziemlich in Eile, wissen Sie.« Mit einiger Anstrengung brachte ich ein Lächeln zustande. » Ich weiß ja, dass Sie nur Ihre Arbeit machen, aber ich habe eben auch zu tun.«
    » Oh, selbstverständlich, kein Problem. Dürfte ich noch Ihren Namen erfahren?« Mit einem A4-Blatt wedelte sie vor meiner Nase herum. » Ich habe hier nämlich eine Liste. Es ist doch viel netter, wenn ein Name auch ein Gesicht bekommt.«
    Daran führte wohl kein Weg vorbei. » Sarah Finch.«
    » Finch…« Mit einem Stift fuhr sie die Liste entlang und hakte schließlich meinen Namen ab. » Ich danke Ihnen einstweilen, Sarah. Vielleicht können wir uns ja später noch unterhalten.«
    Oder vielleicht auch nicht.
    Ich lenkte meine Schritte in Richtung Schule, aber selbstverständlich gab sie so schnell nicht auf. » Aus Polizeikreisen kam mir zu Ohren, dass eine Lehrerin von dieser Schule die Leiche der Schülerin gefunden hat. Das waren doch Sie, nicht wahr?«
    Schlagartig blieb ich stehen und wandte mich zu ihr um. Meine Gedanken überschlugen sich. Aus naheliegenden Gründen wollte ich ihr natürlich unbedingt verschweigen, dass ich genau diese Lehrerin war, aber ich war unsicher, ob ich mit einer faustdicken Lüge so einfach durchkommen würde. » Oh mein Gott, das ist ja entsetzlich«, kommentierte ich schließlich.
    » Fürchterlich«, bestätigte sie und wirkte dabei alles andere als betroffen.
    Ich schenkte Carol noch ein nichtssagendes Lächeln und ein angedeutetes Achselzucken, bevor ich mich auf den Weg ins Lehrerzimmer machte. Während ich quer über den Parkplatz lief, spürte ich ihren Blick in meinem Rücken. Mir blieb nichts übrig, als zu hoffen, dass sie mich gerade als » dröge, nicht zitierfähig und total uninteressant« abgehakt hatte, denn wenn sie weiterbohrte, würde sie mit Sicherheit eins und eins zusammenzählen. Und nicht nur wegen Jenny. Sobald sie anfing, nach einem Anschlusstreffer für das zu suchen, was sich zweifellos zur Story des Jahres entwickeln würde, kam sie vielleicht auf die Idee, die Umstände von Jennys Tod mit anderen Mordfällen und ungelösten Rätseln dieser Gegend zu vergleichen. Und dass dabei auch Charlies Verschwinden wieder Thema sein würde, war nur allzu wahrscheinlich. Nicht zum ersten Mal war ich heilfroh, meinen Familiennamen geändert und keinem meiner Kollegen jemals etwas über Charlie erzählt zu haben. Für Carol würde es also nicht ganz so einfach sein, diese Verbindung herzustellen. Und warum sollte sie das auch tun? Das einzig verbindende Element dieser beiden Fälle war ich.
    Obwohl das Lehrerzimmer so voll war, wie ich es noch nie erlebt hatte, war es nahezu totenstill. Allem Anschein nach war die gesamte Belegschaft der Edgeworth-Schule anwesend und ausnahmslos pünktlich. Beim Anblick der abgespannten, besorgten Gesichter um mich herum fühlte ich mich hundeelend. Dieser Fall betraf uns alle, keine Chance, sich auszuklinken.
    Auf der einen Seite des Raumes stand Elaine Pennington und neben ihr DCI Vickers. Gleich daneben saß eine junge Frau mit Notizblock und tadellosem Make-up, die sich als Pressesprecherin der Polizei vorgestellt hatte. Die Schulleiterin hatte nun schon einige Zeit über Jenny, die Zusammenarbeit mit der Polizei und die Beantwortung von Elternfragen gesprochen. Sie mühte sich redlich, so souverän und professionell wie immer zu wirken, doch der Stichwortzettel zitterte in ihrer Hand. Die eine Hälfte ihres schmalen Gesichts wirkte erstarrt, fast wie gelähmt, und ein Augenlid zuckte unaufhörlich. Hoffentlich war sie so klug, sich von den Medien fernzuhalten, bis sie ihre Fassung einigermaßen wiedergewonnen hatte. Ihre Stimme klang seltsam näselnd, und ihr Blick huschte beim Sprechen im Raum hin und her. Ich zwang mich, auf den Inhalt ihrer Worte zu hören.
    » Daher habe ich in Absprache mit der Polizei und im Hinblick auf die Beeinträchtigungen, die uns ja in den kommenden Tagen sicher alle betreffen werden, entschieden, den Unterricht vorerst auszusetzen.«
    Unter den versammelten Lehrern

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