Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing
bitterliches Schluchzen dem sorgsam aufgetragenen Make-up nichts Ernstliches anhaben können.
» Während wir hier versammelt sind, nimmt die Sekretärin Kontakt zu euren Eltern auf«, fuhr Elaine fort. » Wir bitten sie, euch abholen zu kommen oder dafür zu sorgen, dass ihr in den nächsten Stunden betreut seid. Die Schule bleibt für den Rest der Woche geschlossen.«
DCI Vickers wirkte angesichts der daraufhin durch die Aula wogenden Begeisterung ein wenig bestürzt. Mich ließ das kalt. Die Mädchen waren wie alle Teenager egozentrisch und manchmal von unüberlegter Brutalität. Wahrscheinlich waren sie ehrlich schockiert wegen Jenny, aber eben immer auch auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Ganz überraschend eine Woche schulfrei, warum auch immer, war jedenfalls nicht zu verachten.
Elaine hob die Hand, und die Aufregung verebbte. » Das ist Detective Chief Inspector Vickers. Er leitet die Ermittlungen zu diesem außerordentlich tragischen Todesfall und möchte euch ein paar Dinge mitteilen.« Abermals kam im Saal Unruhe auf. Ich fragte mich, ob Vickers je zuvor im Zentrum von so viel überdrehter weiblicher Aufmerksamkeit gestanden hatte. Durchaus amüsiert beobachtete ich, wie seine Ohren sich allmählich dunkelrot färbten. Er trat nach vorn und beugte sich zum Mikrofon. Obgleich er etwas zerknittert, blass und angeschlagen wirkte, war von seiner Nervosität nichts zu spüren.
» Vielen Dank, Ms. Pennington.« Dabei stand er zu dicht am Mikrofon, wodurch das » p« in Pennington zu einem knallenden Geräusch verstärkt wurde. » Ich möchte euch alle bitten, falls ihr irgendetwas über Jenny Shepherd wisst, darüber mit mir oder einem meiner Kollegen zu sprechen.« Bei diesen Worten nickte er in Richtung des hinteren Teils der Aula. So wie alle anderen drehte ich mich um und zuckte zusammen, als ich dort Andrew Blake an den Türrahmen gelehnt stehen sah. Er wurde von zwei uniformierten Beamten begleitet. Valerie war vermutlich mit den Shepherds beschäftigt.
» Ihr könnt aber auch mit euren Lehrern sprechen, falls euch das leichter fällt«, fügte Vickers hinzu. Synchron wie bei einem Tennismatch wandten sich sämtliche Köpfe in der Aula wieder zu ihm. » Sie werden euch weiterhelfen. Und nichts von dem, was ihr vielleicht wisst, ist zu unbedeutend, es uns zu erzählen. Ob etwas nützlich ist oder nicht, entscheiden wir. Was wir brauchen, sind Informationen über Jenny– vor allem über ihre Freunde in und außerhalb der Schule. Und alles, was ihr von ihr oder über sie gehört habt und was euch vielleicht seltsam vorkam. Alles, was irgendwie anders war als sonst. Hat sie sich über etwas Sorgen gemacht? Hatte sie Probleme irgendeiner Art? Hatte sie Streit mit ihren Mitschülerinnen oder anderen Leuten? Gab es etwas, das sie Erwachsenen nicht sagen wollte, weil es ein Geheimnis war? Wenn euch etwas einfällt, auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist, behaltet es nicht für euch. Aber ich möchte euch dabei vor allem um eines bitten: Kein Tratsch untereinander– sprecht zuerst mit uns. Es geht so schnell, dass etwas herbeigeredet wird, und nach einer Weile weiß man dann nicht mehr, ob man sich wirklich daran erinnert oder es bloß von jemandem gehört hat.« Wieder ließ er seinen Blick durch die Aula schweifen. » Ich weiß, dass es sehr verlockend sein kann, mit Journalisten zu reden. Wenn es darum geht, an Informationen zu kommen, sind diese Leute sehr geschickt– manchmal besser als die Polizei. Aber man kann ihnen nicht trauen, und wie eure Direktorin schon gesagt hat, solltet ihr wirklich nicht mit ihnen sprechen. Wenn ihr etwas zu erzählen habt, sagt es uns.«
Die Mädchen nickten, noch immer ganz entrückt. Für jemanden, der auf der Promiskala mindestens tausend Punkte unter jedem TV-Kommissar rangierte, hatte sich Vickers gar nicht übel geschlagen.
Eines hatte er allerdings versäumt. Er hatte den Mädchen keine Antwort auf die Fragen gegeben, die sie wirklich beschäftigten. Also versuchte ich im Laufe des restlichen Tages, während ich Lerngruppen beaufsichtigte und Ad-hoc-Wiederholungspläne für die Prüflinge erstellte, nebenbei auf die wilden Spekulationen einzugehen, die in der Schule grassierten.
» Miss Finch, stimmt es, dass ihr Kopf abgeschnitten war? Jemand hat gesagt, dass ihr Kopf, also, dass er ab war?«
» Ich hab gehört, dass jemand tausende Male auf sie eingestochen hat, stimmt das? Und dass ihre Gedärme rausgehangen haben und dass man ihre Knochen und alles sehen
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