Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing
für meinen Hinterkopf gedacht war, auf meiner Schulter landete. Er traf mich mit solcher Wucht, dass ich stürzte und auf dem Knie landete. Der Schmerz schoss glühend heiß bis hinauf in die Hüfte.
Ich glaube nicht, dass ich ohnmächtig wurde, doch nach diesem Schlag war ich für einige Minuten alles andere als bei klarem Bewusstsein. Ich trieb dahin, in einem Meer aus Schmerz, und war viel zu erschrocken, um auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Als zwei Hände mich unter den Armen packten und auf die Füße stellten, leistete ich keinerlei Widerstand. Ich lehnte mich willenlos und schlaff wie eine Stoffpuppe gegen die massige Gestalt hinter mir. Mein linker Arm hing nutzlos herab, ich spürte ihn nicht. Seltsam distanziert wunderte ich mich darüber, während mir gleichzeitig dämmerte, dass ich wegen etwas viel Wichtigerem beunruhigt sein sollte. Langsam und schmerzhaft kamen die weit entfernt läutenden Alarmglocken immer näher. Schließlich schepperten sie direkt in meinem Kopf und übertönten alles andere. Ich bin in Gefahr, dachte ich. Ich sollte etwas dagegen unternehmen.
Während der noch funktionierende Teil meines Verstands versuchte, mein restliches Ich zu einer wie auch immer gearteten Reaktion zu bewegen, war mir trübe bewusst, dass sich der Angreifer bewegte. Er– aufgrund der Körperkraft und des Geruchs, einer beißenden Mischung aus Zigaretten, Motorenöl und pulsierender Anspannung war mir klar, dass es ein Mann war– zog mich hinter die Sträucher, aus dem Blickfeld möglicher Passanten. Da verfiel ich in Panik und öffnete meinen Mund zum Schrei, doch er stürzte sich auf mich wie eine Katze und presste mir seine Faust gegen den Hals und drückte auf meinen Kehlkopf. Ich konnte nicht schreien, nicht einmal atmen. Hinter meinen Augenlidern wirbelten weiße Lichtsalven, und ich spürte, wie meine Knie nachgaben. Hätte er mich nicht aufrecht gehalten, wäre ich sicher zusammengesunken.
Nach gefühlten hundert Jahren hörte der Druck gegen meinen Hals auf, und die Hand ließ von mir ab. Mit gewaltigen, keuchenden Atemzügen füllte ich meine Lunge. Als ich wieder einigermaßen sprechen konnte, krächzte ich: » Was… wollen… Sie?«
Eigentlich erwartete ich keine Antwort und bekam auch keine. Die Reaktion war ein Lachen, mehr fühl- als hörbar. Heißer Atem streifte seitlich mein Gesicht und fuhr durch meine Haare. Er strich mit einer Fingerspitze an meiner Wange entlang, und die Naht seines Handschuhs kratzte auf meiner Haut. Dann packte er mich am Unterkiefer und drückte meinen Kopf nach hinten, sodass die Sehnen in meinem Hals spannten, und ließ seine andere Hand über meinen Oberkörper gleiten, umfasste meine linke Brust, drückte sie zunächst sacht und danach so heftig, dass ich kurz aufstöhnte, halb vor Schmerz und halb vor Angst. Ich spürte ein verwundertes Innehalten, wahrscheinlich hatte er gerade entdeckt, dass ich nichts weiter unter meinem dünnen Hemdchen trug. Seine Hand bewegte sich zu seinem Gesicht, und mit den Zähnen zog er den Handschuh herunter. Ich hatte kaum Zeit, diese Bewegung zu erfassen, als er auch schon seine feuchtwarme Hand unter mein Top schob und mich wieder begrapschte. Mir stiegen die Tränen in die Augen. Ich konnte nicht fassen, dass das ausgerechnet mir passierte, direkt vor meinem Haus, keine zwei Meter von der Eingangstür entfernt. Ich sollte endlich anfangen, mich zu wehren, doch in dem Augenblick wusste ich wirklich nicht, wie. Hätte ich wenigstens sein Gesicht gesehen , wäre wenigstens mein linker Arm nicht außer Gefecht gewesen , wäre er nicht so viel größer und schwerer gewesen als ich , dann hätte ich vielleicht eine Chance gehabt.
» Bitte«, sagte ich und dann wusste ich nicht mehr weiter. Bitte töten Sie mich nicht. Bitte vergewaltigen Sie mich nicht. Bitte tun Sie mir nicht weh. Aber wenn er das wollte, würde er es wohl tun. So einfach war das.
Mit einem kleinen Seufzer lockerte er seinen Griff. Für einen Augenblick dachte ich, er wollte mich zu sich herumdrehen, da er mir die Hände auf die Schultern legte. Doch er zwang mich zu Boden, in die Knie. Das Gewicht auf meinem rechten Knie verursachte Höllenschmerzen, und ich war beinahe froh, als er mich grob zwischen die Schulterblätter stieß, sodass ich auf meine Hände fiel, mit dem Gesicht nur wenige Zentimeter vom Erdboden entfernt. Er legte die Hand auf meinen Hinterkopf und drückte mich weiter nach unten. Ich atmete Erdkrümel ein und würgte, versuchte
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