Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing
Blake auf mir, mit entschlossenem Blick , seine gebräunten Hände auf meiner hellen Haut, langsam und gezielt. Ein Schauer durchfuhr meinen Körper. Der Zeitpunkt war jetzt wirklich unpassend. Für einen winzigen Moment schloss ich die Augen und konnte mich gerade noch rechtzeitig von Blakes Bett losreißen, um Carol säuseln zu hören: » Kommen Sie schon, Sarah. Ein Gespräch ganz unter uns. Und ich schreibe kein Wort über Dinge, die nicht erscheinen sollen.«
» Und ich bleibe dabei anonym?«, fragte ich und versuchte, immer noch unentschlossen zu wirken. Dabei hoffte ich inständig, dass ihr mein kleines Aufmerksamkeitstief entgangen war.
» Selbstverständlich. Ich halte Sie vollständig raus aus der Sache.« In ihren Augen funkelte Siegeserwartung.
» Na gut, aber wirklich nur unter dieser Bedingung«, lenkte ich betont zögerlich ein und heftete mich an ihre Fersen, während sie den Weg zu einem nahe gelegenen Café einschlug. Sie bestellte belegte Brötchen für uns beide und bezahlte mit großem Trara die komplette Rechnung. Sie hatte das Heft in der Hand, und das musste sie mir unbedingt unter die Nase reiben.
Das Café war klein und schummerig. Carol steuerte auf einen Tisch am Fenster zu und holte ein Aufnahmegerät aus der Tasche. » Das stört Sie doch nicht?« Sie überprüfte, ob es auch funktionierte. » Ich möchte absolut korrekt sein.«
Das bezweifle ich nicht, dachte ich bei mir.
» So«, sagte sie, als die Kellnerin zwei randvoll mit dunkelbraunem Tee gefüllte Porzellanbecher auf unseren Tisch stellte. » Fangen wir also ganz von vorn an. Erzählen Sie mir doch etwas über Jenny.«
Mit so wenig Pathos und Gefühlsduselei, wie es nur ging, beschrieb ich, wie es gewesen war, Jenny als Schülerin zu haben, und welchen Eindruck ich von ihr im Allgemeinen hatte. Das alles versuchte ich so banal und uninteressant wie möglich rüberzubringen. » Sie war sehr nett. Ausgesprochen fleißig. Sie hat immer ihr Bestes gegeben.«
Carol gab mehr Gas: » Und dann– was ist dann passiert? Sie kam nicht in die Schule, oder?«
Ich nickte.
» Wussten Sie, dass sie als vermisst galt?«
» Erst als am Montagmorgen ihr Vater in die Schule kam«, gab ich zu. » Er war sichtlich besorgt, weil sie seit Samstag niemand mehr gesehen hatte, und wollte mit ihren Klassenkameradinnen sprechen. Aber keine wusste etwas.«
» Genau.« Carol nickte anspornend. Wahrscheinlich hatte ich ihr bis zu dem Zeitpunkt nichts Neues geliefert. » Und dann sind Sie joggen gegangen.«
» Ja.«
» Und dabei haben Sie sie gefunden«, soufflierte sie weiter.
» Hm.« Ich schaute aus dem Fenster.
» Erzählen Sie mir davon«, hakte sie nach einigen Sekunden nach, als sie merkte, dass ich von allein nicht näher darauf eingehen würde.
» Na ja, es ist gar nicht so einfach, sich an Einzelheiten zu erinnern. Ich habe eben etwas Seltsames gesehen, festgestellt, dass es eine Leiche ist, und die Polizei gerufen. Die ist gekommen, und den Rest wissen Sie ja.«
» Wann wurde Ihnen denn bewusst, dass sie keine Fremde war? Zu welchem Zeitpunkt haben Sie Jenny erkannt?«
» Da bin ich mir nicht sicher.«
» Haben Sie die Leiche genauer betrachtet, als Sie sie fanden?«
Ich hatte das schwindende Tageslicht auf ihrer blassen, kalten Haut betrachtet und auch die trockenen, halbmondförmigen Linien, die ihre Zähne auf der Unterlippe hinterlassen hatten.
» Ich bin wirklich nicht besonders dicht herangegangen«, redete ich mich heraus.
Jetzt war der richtige Moment, den Spieß umzudrehen. Ich hatte schon genug geredet. » Sie scheinen ja einiges zu wissen über den Vorfall, wenn Sie auch herausgefunden haben, dass ich die Leiche entdeckt habe.«
» Ich habe eben meine Quellen.« Selbstgefällig nippte sie an ihrem Tee.
» Und wie laufen die Ermittlungen? Gibt es schon einen Verdächtigen?«
» Genau genommen haben sie mehrere Leute im Visier, aber ich bezweifle ehrlich gesagt, dass sie den richtigen Durchblick haben. Die Leiche hat keinerlei Hinweise gebracht. Nichts von Interesse für den Gerichtsmediziner. Das Mädel war absolut sauber.«
Das war ja höchst interessant. » Haben sie inzwischen herausgefunden, wie sie gestorben ist?«
Carol warf mir einen verschmitzten Blick zu. » Ich dachte, es wurde offiziell mitgeteilt, dass sie ertrunken ist?«
» Ja, richtig«, bestätigte ich und erkannte meinen Fehler.
» Sah es für Sie denn nicht nach Ertrinken aus? Sie haben die Leiche ja gesehen. Warum kommt Ertrinken Ihnen
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