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Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing

Titel: Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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herum einen Graben zu buddeln. Einen tiefen, breiten Graben. Als er mit dem Verbindungskanal vorn am Wasser angekommen war, strömte es hinein. Mit jeder Welle stieg das Wasser höher. Ich bekam Angst. Und dann wurde auch noch die Insel aus Sand, auf der ich stand, langsam weggespült. Dad musste mich retten. Er krempelte die Hosenbeine hoch, watete ins Wasser und trug mich auf dem Arm bis zu der Stelle, wo Mum wartete. Charlie nannte er einen gefährlichen Idioten.
    » Idiot«, murmelte ich vor mich hin, ganz leise, leiser als ein Flüstern.
    Olivias Stimme ist jetzt noch langsamer geworden. Sie hört sich ganz konzentriert beim Reden zu. Mich hört sie nicht.
    » So, jetzt hole ich dich wieder zurück, Sarah.« Ich habe plötzlich das Bedürfnis zu zappeln, zu lachen oder mit den Füßen zu trampeln. » Du bist hier in völliger Sicherheit, Sarah.«
    Ja, ich weiß, dass ich in Sicherheit bin. Ich öffne die Augen zu einem winzigen Schlitz und gucke im Zimmer umher. Die Vorhänge sind geschlossen, obwohl heller Tag ist. Die Wände sind rosa. Hinter einem Schreibtisch voller Papiere steht ein Bücherregal. Nicht gerade besonders interessant. Ich schließe die Augen wieder.
    » Kehren wir also zu dem Tag zurück, an dem dein Bruder verschwunden ist«, gurrt Olivia. » Es ist ein Sommertag. Was siehst du?«
    Ich weiß, dass ich mich jetzt an Charlie erinnern soll. » Meinen Bruder«, sage ich also.
    » Gut, Sarah. Und was macht er gerade?«
    » Er spielt.«
    » Und was für ein Spiel?«
    Inzwischen habe ich allen erzählt, dass Charlie Tennis gespielt hat. Sie erwartet jetzt von mir, dass ich Tennis sage. » Tennis«, sage ich.
    » Ist er allein?«
    » Nein.«
    » Wer ist noch da, Sarah?«
    » Ich.«
    » Und was tust du gerade?«
    » Ich liege auf der Wiese«, sage ich entschlossen.
    » Und was passiert dann?«
    » Ich schlafe ein.«
    Eine kleine Pause entsteht. » Gut, Sarah, das machst du wirklich ganz prima. Ich möchte jetzt, dass du noch einmal über das nachdenkst, was passiert, bevor du einschläfst. Was siehst du?«
    » Charlie spielt Tennis.« Langsam geht mir das Ganze auf die Nerven. Es ist zu warm im Zimmer. Der Stuhl, auf dem ich sitze, hat eine glänzende Sitzfläche aus Plastik, und meine Beine kleben daran fest.
    » Und was passiert noch?«
    Ich weiß nicht, was sie von mir hören will.
    » Kommt noch jemand, Sarah? Wird Charlie von jemandem angesprochen?«
    » Ich… Ich weiß nicht«, sage ich schließlich.
    » Denk nach, Sarah!« Olivias Stimme klingt aufgeregt. Auf einmal hat sie vergessen, Ruhe auszustrahlen.
    » Ich habe Hunger«, sage ich. » Kann ich jetzt gehen?«
    Hinter mir höre ich ein Seufzen und das Geräusch eines zuklappenden Notizbuchs. » Ich glaube, du warst gar nicht in Hypnose«, sagt sie, steht auf und kommt zu mir herüber, um mich anzusehen. Ihr Gesicht ist rötlich und ihre Lippen sind ganz trocken.
    Ich zucke die Schultern.
    Sie rauft sich die Haare und seufzt noch einmal.
    Mum und Dad haben im Flur gewartet. Als wir herauskommen, springen sie auf.
    » Wie ist es gelaufen?«, erkundigt sich Dad, aber an Olivia gewandt. Ihre Hand liegt in meinem Nacken.
    » Gut. Ich denke, wir machen Fortschritte«, antwortet sie, und ich schaue überrascht zu ihr auf. Sie lächelt meine Eltern an. » Kommen Sie nächste Woche mit ihr wieder. Dann probieren wir noch eine Sitzung.«
    Ich spüre ihre Enttäuschung. Mum wendet sich ab, und Dad beklopft seine Taschen. » Wegen der Bezahlung…«, setzt er an.
    » Schon in Ordnung«, beschwichtigt Olivia. » Sie können alles zusammen nach der abschließenden Sitzung begleichen.«
    Er nickt und versucht ein Lächeln. » Na komm, Sarah«, sagt er und hält mir seine Hand entgegen. Olivia schüttelt mich kurz durch, bevor sie meinen Nacken loslässt. Es fühlt sich wie eine Warnung an. Erleichtert renne ich zu Dad, an seine Seite. Mum ist schon draußen im Korridor.
    Während der Rückfahrt rinnt der Regen an den Autoscheiben herunter und trommelt auf das Dach. Ich sage meinen Eltern, dass ich da nicht wieder hinwill.
    » Das ist mir völlig egal«, sagt Mum. » Du gehst da wieder hin, ob du willst oder nicht.«
    » Aber…«
    » Wenn sie es doch nicht will, Laura…«
    » Warum stellst du dich eigentlich immer hinter sie?« Mums Stimme klingt schrill und wütend. » Ständig verhätschelst du sie. Und es ist dir völlig egal, wie wichtig diese Sache für mich ist. Sogar dein Sohn ist dir egal.«
    » Jetzt red doch keinen Unsinn«, erwidert Dad.
    »

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