Die Vernetzung der Welt: Ein Blick in unsere Zukunft (German Edition)
chinesische Regierung versuchen könnte, über die bestehende Zensur von Inhalten über Vorfälle in Xinjiang, (zum Beispiel im Fall der Unruhen in der Hauptstadt Ürümqi 2009 ) hinaus sämtliche Inhalte über die Uiguren aus dem Internet zu verbannen.
Einige Staaten könnten Maßnahmen wie diese als politisches Gebot verstehen und versuchen, mögliche Bedrohungen für die innere Sicherheit zu beseitigen, indem sie diese einfach aus dem Internet löschen. Im Ausland wären Informationen über eine solche Gruppe zwar noch verfügbar, doch aus dem nationalen Internet wäre sie verschwunden. Die Existenz einer gesamten Ethnie würde schlicht geleugnet. Dies wäre nicht nur eine Demütigung, sondern auch die Möglichkeit, diese Gruppe weitgehend von der übrigen Bevölkerung zu isolieren. Auf diese Weise könnte der Staat die Minderheit ungestraft verfolgen, und wenn die Zensur gründlich genug ist, würden künftige Generationen nichts mehr von ihrer Existenz oder ihren Problemen erfahren. Die Löschung erfolgt in aller Stille, sie ist schwer zu quantifizieren und wird kaum Alarmglocken läuten lassen, denn ihre Auswirkungen in der physischen Welt sind kaum spürbar, auch wenn sie für die Betroffenen natürlich große symbolische und psychologische Bedeutung hat. Selbst wenn bekannt werden sollte, dass die Behörden in großem Stil Inhalte über eine Minderheit zensieren, könnten sie die Maßnahmen immer noch mit Verweis auf die innere Sicherheit rechtfertigen oder technische Probleme dafür verantwortlich machen. Sollte sich eine Regierung nicht mit der Diskriminierung und der Kontrolle von Inhalten begnügen und zu der Verfolgung einer Minderheit übergehen, könnte sie ihren Zugang zum Internet und seinen Dienstleistungen erschweren. Dies mag noch harmlos klingen im Vergleich zu den physischen Schikanen, willkürlichen Verhaftungen, gewalttätigen Übergriffen sowie dem wirtschaftlichen und politischen Würgegriff, in dem sich verfolgte Gruppen in aller Welt befinden. Doch mit der Ausweitung der Vernetzung wird das Internet immer wichtiger als ein Ort, an dem Bürger Informationen, Arbeit und Unterhaltung finden, mit anderen kommunizieren und ihren beengten Verhältnissen entkommen können. Für die verfolgten Minderheiten wäre der Ausschluss aus der virtuellen Welt folgenschwer, denn damit würde man ihren Angehörigen die Chance auf Wachstum und Wohlstand verweigern, wie sie die Vernetzung anderswo bietet. Je stärker sich Finanzdienstleistungen, Gehaltszahlungen und Einkäufe ins Internet verlagern, umso stärker werden die wirtschaftlichen Möglichkeiten der betroffenen Menschen eingeschränkt. Es würde ihnen kaum gelingen, über ihr Geld zu verfügen, Kredite aufzunehmen oder mit Kreditkarte zu bezahlen.
Was dies bedeuten würde, können wir an einem hypothetischen Beispiel verdeutlichen. Schon heute verweigert der rumänische Staat rund 2 , 2 Millionen Roma in Rumänien denselben Status wie den anderen Bürgern. [304] Die Roma müssen ihre Kinder auf eigene Schulen schicken und werden auf dem Arbeitsmarkt sowie im Gesundheitswesen erheblich benachteiligt (von der gesellschaftlichen Stigmatisierung ganz zu schweigen). Da sich viele Roma aus Angst vor Verfolgung in Befragungen nicht als solche zu erkennen geben, gibt es kaum Statistiken über ihren Zugang zum Internet und zu anderen Technologien. Noch haben die Roma jedoch über das Internet die Möglichkeit, ihre Situation zu verbessern, und es ist durchaus denkbar, dass sie in Zukunft virtuelle Institutionen oder einen Staat im Internet gründen könnten.
Sollte der rumänische Staat jedoch beschließen, seine Verfolgung der Roma auf das Internet auszuweiten, würden sich die meisten dieser Möglichkeiten in Luft auflösen. Die technologische Ausgrenzung könnte vielfältige Formen annehmen, je nachdem, über welche Kontrollmöglichkeiten der Staat verfügt und wie viel Leid er den Roma zufügen möchte. Sollten die Behörden die Minderheit beispielsweise zwingen, ihre Geräte und IP -Adressen zu registrieren (viele Länder schreiben bereits eine Registrierung von Handys vor), oder würden sie eine Kartei von «unsichtbaren Menschen» anlegen, könnten sie diese Informationen nutzen, um den Roma den Zugang zu Nachrichten, Informationen sowie wirtschaftlich und gesellschaftlich wichtigen Portalen zu verwehren. Die Nutzer könnten beispielsweise plötzlich feststellen, dass sie keinen verlässlichen Zugang zu ihren persönlichen Daten oder zum
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