Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vernetzung der Welt: Ein Blick in unsere Zukunft (German Edition)

Die Vernetzung der Welt: Ein Blick in unsere Zukunft (German Edition)

Titel: Die Vernetzung der Welt: Ein Blick in unsere Zukunft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Schmidt , Jared Cohen
Vom Netzwerk:
Onlinebanking mehr haben, sie bekämen dauernd Fehlermeldungen oder ihre Verbindungen wären zu langsam. Da die Behörden an den Schalthebeln der Infrastruktur sitzen, könnten sie regelmäßig Telefonate unterbrechen, in bestimmten Regionen die Telefonsignale stören oder die Internetverbindungen der Roma kurzschließen. In Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft könnte der Staat manipulierte Geräte an die Minderheit verkaufen, die es den Behörden ermöglichen, später Schadsoftware zu installieren.
    Da ein systematischer Ausschluss der Minderheit zu viel Aufmerksamkeit erregen würde, könnte die Regierung diese Sperren nach dem Zufallsprinzip einsetzen – häufig genug, um die Gruppe empfindlich zu benachteiligen, doch zu selten, um ihre Dementis nicht ganz unglaubwürdig zu machen. Die verfolgte Minderheit könnte zwar improvisieren, um ihre Grundversorgung sicherzustellen, doch die Störungen ließen sich nie völlig kompensieren. Langfristig könnte diese Dynamik zu einer virtuellen Apartheid führen, in der verschiedene gesellschaftliche Gruppen unterschiedlichen Zugang zum Internet erhielten.
    Die digitale Ausgrenzung von Minderheiten wird sich in Zukunft noch ausweiten, denn viele Staaten haben sowohl den Willen als auch die erforderlichen Mittel dazu. Solche Initiativen könnten sogar als öffentlichkeitswirksame Förderprogramme beginnen, sich aber nach einem Regierungswechsel in ihr Gegenteil verkehren. Nehmen wir beispielsweise an, eine ultraorthodoxe Lobbygruppe in Israel verlangte für sich die Schaffung eines speziellen «koscheren Internets» mit einer Positivliste von inhaltlich überprüften Seiten. Die Regierung gibt diesem Wunsch nach, denn in ihren Augen unterscheidet sich ein koscheres Internet nicht wesentlich von einem Pornographiefilter. [27] Wenn Jahre später eine ultraorthodoxe Partei an die Regierung kommen sollte, könnte sie ihr koscheres Internet auf das gesamte Land ausweiten wollen. Aus dieser Position hätte sie die Möglichkeit, den Zugang der Minderheiten zu Informationen noch weiter zu reduzieren.
    Maßnahmen wie diese würden die Minderheiten noch verwundbarer machen, denn damit würde buchstäblich ihre Lebensader gekappt. Wenn die Beschränkung des Internetzugangs der Auftakt zu physischer Verfolgung oder staatlicher Gewalt ist, wäre die Minderheit weder in der Lage zu warnen, noch den Missbrauch und die Zerstörung zu dokumentieren. Was in einem digitalen Vakuum geschieht, wird bald schon überhaupt nicht mehr wahrgenommen.
    Wo Minderheiten auf diese Weise unterdrückt werden, werden sich einige Bürger mit dem Staat arrangieren und Informationen preisgeben oder mit den Behörden zusammenarbeiten, um besseren Zugang zum Netz zu erhalten. Kollaborateure könnten zum Beispiel mit schnelleren Verbindungen, besseren Geräten, Schutz vor Onlineschikane oder Zugang zu mehr Internetseiten belohnt werden. Ein Künstler und Vater von sechs Kindern, der der schiitischen Minderheit in Saudi-Arabien angehört, mag zwar kein Interesse daran haben, als Informant für die Regierung zu arbeiten oder schriftlich zu bestätigen, dass er sich nicht politisch betätigen werde, doch wenn die Zusammenarbeit ein besseres Einkommen für ihn und bessere Bildungschancen für seine Kinder bedeutet, dann könnte er es sich anders überlegen. Die Ruhigstellung von potenziell renitenten Minderheiten durch Belohnungen ist so alt wie der moderne Staat selbst – dies wäre lediglich eine digitale Variante.
    Aber nicht nur Staaten werden versuchen, Inhalte von Minderheiten zu löschen und deren Internetzugang einzuschränken. Auch technisch versierte Gruppen und Einzelpersonen können zu den Mitteln der virtuellen Diskriminierung greifen. Es ist durchaus denkbar, dass der erste virtuelle Völkermord der Geschichte nicht von einem Staat ausgeht, sondern von einzelnen Fanatikern. Wir haben bereits die Erfahrung gemacht, dass Extremisten das technische Know-how erwerben, um ihre zerstörerischen Aktivitäten ins Internet zu verlagern, und dabei werden sie auch zu solchen Strategien greifen. Dasselbe gilt für Einzeltäter. Es ist vorstellbar, dass ein technisch beschlagener antimuslimischer Aktivist die Internetportale der muslimischen Gemeinde in seiner Stadt angreift. Solch eine Tat stellt die virtuelle Variante von Grafitti auf Hauswänden, Einbrüchen in Geschäften und Beleidigungen auf der Straße dar. Wenn der Täter über das nötige Wissen verfügt, könnte er mit einem Angriff auf den Router,

Weitere Kostenlose Bücher