Die Verraeterin
Tischchen aus Glas und Edelstahl. In die Decke waren Strahler eingelassen, die ein sanftes Licht verbreiteten, das auch den großen Flachbildschirm erhellte, der über einer eleganten schwarzen Anrichte hing.
Ein großes, rotes Banner war auf dem Bildschirmrand unten zu sehen. Darauf war zu lesen: Seltene schwarze Panther nach einem grausamen Angriff eingefangen. Xanders Blut gefror zu Eis.
Es folgten körnige Videoaufnahmen, die offensichtlich von einer Augenzeugin gemacht worden waren. Auf den wackligen Bildern waren fahrige Bewegungen und Chaos zu sehen – eine panische Menge von Menschen, die schrien und sich gegenseitig aus dem Weg stießen, während sechs riesige, fauchende Panther einander auf der Tanzfläche des Clubs angriffen. Ein Schuss ertönte, dann ein weiterer. Eines der Tiere brach zusammen, wohingegen drei von ihnen sofort flohen. Die zwei übrigen griffen den Polizeibeamten an, der die Schüsse abgegeben hatte, und begannen ihn zu zerfetzen. Eine ernste männliche Stimme ertönte.
»Wie man auf diesen verstörenden Bildern erkennen kann, sind die Tiere höchst aggressiv und gefährlich. Experten zufolge sollen sie bereits seit langer Zeit in Freiheit gelebt und sich von großen Beutetieren ernährt haben. Vielleicht wurden sie sogar auf irgendeine Weise genetisch manipuliert, was sich an der enormen Größe im Vergleich zu ihren Artgenossen zeigt. Wie die anderen Panther, die in den vergangenen Jahren in dieser Gegend eingefangen und getötet wurden, sind auch diese Tiere derart gewaltig, dass ein unerfahrener Tierzüchter sicher nicht in der Lage gewesen wäre, solch riesige Raubkatzen mitten in der Stadt unbemerkt heranzuzüchten.
Mehrere Mitglieder des europäischen Wildlife Preservation Fund einschließlich des berühmten Evolutionsbiologen Dr. Hermann Parnassus werden morgen in Rom erwartet, um die Tiere zu untersuchen und ihre Meinung abzugeben. Die Behörden fordern die Bürger auf, die in der Nähe des Nachtclubs leben, so weit wie möglich zu Hause zu bleiben, bis die drei anderen Panther ebenfalls gefangen worden sind. Dennoch stellt sich immer noch die große Frage: Woher stammen diese außergewöhnlichen Kreaturen?«
Im Schlafzimmer einen Stock tiefer, wo Xander Morgan zurückgelassen hatte, klingelte sein Handy.
»Scheiße«, flüsterte er, vor Fassungslosigkeit erstarrt. Bartleby drehte die Lautstärke am Fernseher herunter, während man nun auf dem Bildschirm Bilder vom Krankenhaus sah, in dem der Polizeibeamte versorgt wurde. Dann wurden Bilder von der Einrichtung gezeigt, in der man die Tiere hielt. Xander merkte sich die Adresse.
»Das sind sie, nicht wahr?«, fragte Bartleby grimmig. »Mateo, Tomás und Julian?«
Xander nickte. Er lauschte auf sein Handy, das noch immer klingelte. In seinen Ohren klang der unschuldige Ton so unheilvoll wie Gewehrsalven. Es musste Leander sein. Wenn der Rat die Nachrichten gesehen hatte, würde er bestimmt sofort annehmen, dass sich die drei des Verrats schuldig gemacht hatten. So offensichtliche Verstöße gegen das Gesetz – Verwandlungen in der Öffentlichkeit, die zudem gefilmt wurden, ehe sie sich lebend hatten fangen lassen – würden zweifelsohne zu drei Hinrichtungen führen. Allerdings nur dann, falls es Mateo, Tomás und Julian gelang, aus ihrem Gefängnis auszubrechen.
Es würde ihnen gelingen. Xander würde dafür sorgen, dass es ihnen gelang. Aber er hatte nicht vor, sie zu retten, nur damit sie hingerichtet werden konnten. Garantiert nicht. Er wollte sie retten und dann …
Dann wollte er ihnen helfen zu verschwinden.
Ihm blieb keine andere Wahl. Er musste nicht einmal überlegen. Das Ganze war sonnenklar, und es musste schnell geschehen.
»Wenn man sie gefangen hält, bedeutet das, dass sie verletzt sind, was wiederum bedeutet, dass sie sich nicht verwandeln können«, erklärte Xander mit zitternder Stimme. Durch seine Adern schoss Adrenalin. Er war sich nicht einmal sicher, ob er sich verwandeln konnte, da nicht klar war, inwieweit seine Bauchwunde bereits verheilt war. Er musste da einfach blind hinein – komme, was wolle. »Was wiederum bedeutet, dass es schwierig sein wird, sie da herauszuholen. Wir müssen eine Möglichkeit finden, unbemerkt hineinzukommen, vielleicht mithilfe einer List. Wir müssen die Wärter ablenken …«
»Wir brauchen keine List«, erklärte Bartleby und blinzelte ihn hinter seiner Brille an. »Wir werden einfach in dieses Institut hineinspazieren.«
Xander hob die Augenbrauen
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