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Die Verraeterin

Die Verraeterin

Titel: Die Verraeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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hoch.
    »Mein lieber Junge, ich bin Arzt, schon vergessen? Und zudem Spezialist, wenn es um diese speziellen … Tiere geht.« Er strich sich seine weißen, abstehenden Haare glatt, richtete die Fliege an seinem Hals und schenkte Xander ein trockenes Lächeln. »Ich bin außerdem höchst attraktiv. Und charmant. Mir gelingt es problemlos, jeden um den Finger zu wickeln. Wer auch immer unsere Jungs da festhält, wird schlichtweg nicht fähig sein, mir zu widerstehen.« Sein Lächeln wurde breiter. »Vor allem dann nicht, wenn ich ihnen ein offizielles Dokument unter die Nase halte.«
    Obwohl Xanders Körper vor Fassungslosigkeit noch immer wie versteinert war, gelang es seinem Gehirn, die Starre abzuschütteln und Bartlebys genialen Plan zu begreifen. »Dr. Hermann Parnassus.«
    Bartleby verbeugte sich leicht und schaffte es dabei, sowohl elegant als auch spöttisch zu wirken. »Ganz zu Ihren Diensten, mein Herr.«
    Ein Stockwerk tiefer klingelte das Handy wieder. »Wie lange brauchst du?«
    Bartleby zuckte mit den Achseln. »Etwa zwanzig Minuten. Nach all den Jahren mit euch bin ich ein Experte geworden, was das Fälschen von Identitäten angeht.«
    Das Klingeln hörte auf. Xander hörte einen Ton, der ihm zeigte, dass eine weitere Nachricht hinterlassen wurde. »Sagen wir zehn«, meinte er und rannte zur Treppe nach unten.
    Der Nebel verhüllte beinahe alles und ließ die Geräusche des Waldes seltsam gedämpft klingen. Überall waren graue, kühle Schwaden. Um Morgans Füße bildeten sich Seen aus Dunst, während sie über die duftenden Blätter lief, die auf dem Boden lagen. Sie suchte nach ihm und rief seinen Namen. In dem endlosen Nebel war ihre Stimme kaum zu vernehmen.
    Sie hörte Gelächter in der Nähe und stolperte darauf zu. Mit einem Fuß verfing sie sich in der Wurzel einer uralten, riesigen Kiefer. Sie stürzte auf ein weiches Bett aus trockenen Nadeln und versuchte, wieder aufzustehen. Doch die Nadeln hatten sich inzwischen in Treibsand verwandelt, der sie nach unten zog. Die Körner bedeckten bald ihre ganze Haut und sogen gnadenlos an ihr.
    »Xander!«, rief Morgan hilflos und klammerte sich mit den Fingern in den weichen Sand. Sie versank bis zur Brust. Verzweifelt reckte sie den Hals und durchsuchte mit den Augen den dunklen Wald nach ihm. Über ihr und neben ihr ragten schwarze Äste in die Luft. »Xander, hilf mir!«
    Auf einmal war er da. Langsam lief er durch den Wald auf sie zu. Er wurde von einem Lichtstrahl erhellt und lächelte. Sein Anblick war atemberaubend schön – wie ein schwarz gekleideter Engel, der auf seinem Rücken mehrere Schwerter trug.
    »Hilf mir!«, keuchte sie. Der kalte, nasse Sand glitt ihr über die Schultern und schloss ihren Hals und ihr Kinn ein. Er schob sich zwischen ihre Lippen, und sie spuckte ihn hustend aus. »Xander!«
    Er blieb neben dem Sand stehen und blickte auf sie herab. Seine herrlichen, funkelnden Goldaugen schimmerten in der Dunkelheit. »Du bist bereits zu tief gesunken«, flüsterte er völlig ungerührt. »Tausend Küsse zu tief. Jetzt kann dich nichts mehr retten.«
    Der Sand war in ihren Ohren, ihrem Mund, ihren Augen. Die Stille des Waldes hallte in ihr wider. »Bitte!«, flehte sie, während sie weinte, erstickte, in der Schwärze unterging. »Bitte!«
    »Lebe wohl, meine Liebste«, zwitscherte Xander lächelnd. »Richte dem Teufel meine Grüße aus.«
    Er drehte sich um und verschwand im Wald. Dann verschlang sie die Dunkelheit.
    »Morgan!«
    Sie setzte sich abrupt im Bett auf, die Hand an ihrem Hals. Etwas berührte ihre Schulter. Blindlings schlug sie um sich und versuchte sich zu befreien.
    »Ich bin es! Morgan! Wach auf! Ich bin es!«
    Xander hatte sie bei den Schultern gepackt und schüttelte sie, damit sie aufwachte. Sie brauchte einen Moment, bis sie verstand, was los war, bis sie seine Stimme und seinen Duft erkannte. Dann warf sie sich zitternd in seine Arme.
    »Es ist alles gut«, murmelte er und hielt sie fest an seine Brust gedrückt. Er saß auf dem Rand der Matratze, die Arme um sie gelegt, während sie bebte, blinzelte und versuchte, das schreckliche Gefühl der Hoffnungslosigkeit abzuschütteln. »Du hast schlecht geträumt. Aber es war nur ein Traum.«
    Sie schloss die Augen. Nur ein Traum. Tausend Küsse zu tief.
    Er küsste sie auf die Stirn. »Ich muss eine Weile weg.«
    Sie hob den Kopf und sah ihn an. Seine Augen wirkten besorgt und angespannt. Auf einmal fühlte sie sich ebenfalls wie unter Schock. »Warum? Was ist

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