Die Verraeterin
innehalten lassen. Sie hob die Hände, um nach der Quelle des Schmerzes zu suchen, nach dem Ring aus Feuer, der ihren Hals umgab.
Ihre Finger berührten kühles Metall. Da war etwas um ihren Hals gelegt worden.
»Nein«, flüsterte sie. Ihr Herz schien auf einmal in ihrer Brust zu einem schweren Eisklumpen zu gefrieren.
»Leider schon«, erwiderte der Killer ohne Bedauern. Er trat einen Schritt zurück und betrachtete Morgan aufmerksam. In seinem Gesicht war noch immer keine Regung zu sehen. »Ihre Gabe der Einflüsterung kann mir nichts anhaben. Aber Reißzähne und Klauen sind etwas ganz anderes.«
Sie war außer sich. Entsetzt. Sie hätte genauso gut tot sein können. »Sie haben mir ein Halsband umgelegt!«
Er antwortete nicht. Er musste auch nicht antworten. Es war offensichtlich. Das kalte, enge Band ließ ihren Hals weiterhin schmerzhaft pulsieren. Xander ging währenddessen zum vorderen Teil des Flugzeugs auf die geschlossene Tür zu, hinter der sich das Esszimmer und der Medienraum befanden.
»So kann ich nicht leben! Zwei Wochen ohne Verwandlung, das halte ich nicht durch!«, rief sie und grub die Finger in die Haut um das Halsband. Verzweifelt suchte sie nach einer Möglichkeit, es zu öffnen. Doch sie wusste bereits, dass es sinnlos war. Schlösser wie dieses ließen sich nicht mehr öffnen, wenn sie einmal geschlossen waren. Sie konnten nur noch durch ein Schweißgerät aufgemacht werden, was oft schreckliche Narben hinterließ. Es war die wirksamste Strafe der Ikati für kleinere Vergehen – und die gefürchtetste. Mit dem Halsband zu leben bedeutete, dass man sich nie mehr verwandeln konnte. Es bedeutete, dass man seine menschliche Form so lange behalten musste, wie es notwendig erschien, um sich kooperativer zu zeigen.
»Finden Sie die Expurgari schneller, und es wird keine zwei Wochen dauern«, schlug der Killer kalt wie Eis vor. Er öffnete die Tür und blieb einen Moment lang stehen, um Morgan zu mustern. Sie starrte ihn bleich vor Zorn und Entsetzen an. »Oder vielleicht vergesse ich in der Zwischenzeit«, fügte er mit einem bösen Funkeln in den Augen hinzu, »warum ich es überhaupt angebracht habe.« Er drehte sich um und verschwand durch die Tür ins Cockpit.
Morgan sank mitten im Flugzeug auf die Knie. Ihre Finger klammerten sich noch immer an das kalte Band um ihren Hals. »Hurensohn!«, schrie sie erneut.
Das Geräusch hinter der geschlossenen Tür hätte durchaus ein Lachen sein können.
6
Rom. Atemberaubende Stadt lebendiger Geschichte. Stadt der Kaiser, Dichter und Liebenden, Stadt der roten Dächer und des dunklen Flusses, der sich durch ihre Mitte wand. Stadt der Heiligen, der Künstler und der antiken Stätten, die zum Ruhm lange vergessener Götter errichtet worden waren.
Von der Luft aus wirkte Rom wie eine Märchenstadt, fand Morgan, als sie aus dem Flugzeugfenster auf das große Labyrinth unter ihr blickte. Warme Terrakotta-, Zimt- und Ockerschattierungen umgeben von einer grünen Hügellandschaft voller Ruinen. Rom glitzerte wie ein wertvoller, seltener Topas auf einem Bett aus Smaragden. Die Straßen waren gewunden und ineinander verschlungen wie zahllose Schlangen, überall standen Glockentürme, Paläste und riesige Gotteshäuser, die in der Nachmittagssonne golden schimmerten. Morgan verspürte bei dem Gedanken, dass sie schon bald durch diese Straßen laufen würde, eine große Begeisterung – nur um sich gleich darauf daran zu erinnern, dass er immer bei ihr sein und ihr jegliche Freude vergällen würde.
Zum unzähligsten Mal wanderten ihre Finger zu dem harten Metallring um ihren Hals hinauf. Xander musste sich vorsehen. Es würde besser für ihn sein, wenn er nicht im gleichen Raum war, sobald dieses Band entfernt wurde, denn sein Gesicht mit ihren Klauen in Streifen zu zerfetzen stand nun ganz oben auf ihrer Prioritätenliste.
Das Flugzeug erbebte, als es zum Landeflug ansetzte, und Morgan lehnte sich auf dem weichen Ledersitz zurück.
Zuerst die wichtigen Dinge , dachte sie bitter und betrachtete die Stadt, die immer näher kam, je tiefer sie flogen. Dieser verdammte, wunderschöne Bastard. Zuerst finde ich die Expurgari , und dann kümmere ich mich um ihn.
»Es gibt nur ein Bett«, sagte Morgan mit scharfer Stimme und drehte sich zu Xander um. Ihre grünen Augen strahlten eine kalte Feindseligkeit aus.
»Gut beobachtet«, erwiderte er trocken und schob sich an ihr vorbei in die üppige Opulenz der Nijinsky-Suite. Die Tür fiel lautlos hinter ihm
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