Die Verraeterin
einen Düsenjet handelte. Sie wussten ebenso genau, wie man ein Flugzeug kaperte. Er hatte also angenommen, dass sie mit einem Flugzeug nach Rom gekommen waren. Zum Glück hatten sie sich in der Nähe befunden, um so rasch wie möglich bei ihm zu sein. Wären sie in Quebec oder Manaus gewesen, hätten seine Überlebenschancen bei null gestanden.
Tomás und Mateo wechselten einen säuerlichen Blick. »Alibaba hat uns auf die Fährte eines großen Kasinobesitzers namens Stark geschickt«, sagte Mateo. »Offensichtlich schuldet er diesem Stark ziemlich viel Kohle und sucht jetzt nach einer Möglichkeit, sie ihm nicht zurückzuzahlen. Falls Stark einen kleinen Unfall hätte, wenn wir das mal so nennen wollen, müsste Alibaba natürlich gar nichts zahlen.«
Xanders Kiefermuskel zuckte. »Er spielt also wieder«, sagte er, und die drei anderen nickten.
Alibaba war ihr Spitzname für Xanders Halbbruder Alejandro, der als Alpha über die Manaus-Kolonie herrschte. Ein eitler, undisziplinierter, hinterlistiger Mann mit dem Ego eines kleinen Staates. Alejandro hatte allerdings auch immer wieder großes Glück. Daher rührte auch sein Spitzname. Obwohl er ein Händchen besaß, wenn es um Glücksspiel ging – er gewann immer wieder große Summen im Kasino, verlor aber ebenso regelmäßig –, war es nicht diese Eigenschaft, die Tomás vor einigen Jahren dazu gebracht hatte, ihm diesen ironischen Beinamen zu geben. Das Syndikat nannte ihn Alibaba, weil er nur durch einen glücklichen Dreh des Schicksals zum Alpha geworden war – eine Position, die er sich weder erarbeitet noch verdient hatte. Er war lange nicht so begabt wie Xander und auch nicht so klug oder stark.
Aber er war der erstgeborene Sohn der neuen Frau ihres Vaters. Die neue Frau, die ihren Stiefsohn Xander bis ins Mark hasste und die letztlich dafür verantwortlich war, dass er in der Akademie gelandet war. Die neue Frau, die den Platz von Xanders Mutter eingenommen hatte, nachdem diese gestorben war. Nachdem diese getötet worden war, um genau zu sein.
Von seinem Vater.
Inzwischen war das alles Geschichte. Aber manche Wunden verheilten nie. Wie die Wunden auf seinem Rücken, wo ihn sein Vater ausgepeitscht hatte, wenn er nicht gehorchte, und die er mit Salz bestreute, um seinen Sohn noch lauter schreien zu hören. Es war also nicht verwunderlich, dass allein die Erwähnung des Namens seines Halbbruders sein Blut zum Kochen brachte.
»Das Glücksspiel wird rasch zu einem Ende kommen, wenn sich die anderen Alphas in Manaus versammeln«, sagte Xander düster und dachte an den Umzug, den alle Kolonien gerade vorbereiteten. Seitdem entdeckt worden war, dass die Expurgari wussten, wo alle Kolonien außer Manaus lagen, hatte man begonnen, die vier Kolonien in eine riesige Mega-Kolonie umzuwandeln. Logistisch betrachtet war das ganze Unternehmen ein Albtraum. Aber wenn Alejandro einmal von drei anderen dominanten Alphas umgeben war, würde er zumindest keine Chance mehr bekommen, seinen üblichen Idiotien nachzugehen.
Insgeheim hoffte Xander, dass er etwas tun würde, was einen von ihnen derart ärgerte, dass es zu einem blutigen – tödlichen – Kampf kommen würde.
»Vielleicht«, sagte Julian. »Aber unser Freund Stark wacht trotzdem vielleicht eines Morgens nicht mehr auf.«
»Apropos morgen – wie lange war ich eigentlich bewusstlos?«, fragte Xander, den es interessierte, wie viele Stunden er gebraucht hatte, um zu heilen. Noch war er natürlich nicht ganz einsatzfähig. Aber ein Mensch hätte die Verletzung, die er erlitten hatte, nie überlebt – von der schnellen Genesung ganz zu schweigen.
Auf einmal herrschte eine seltsame Anspannung in der Küche. Die drei tauschten heimliche Blicke miteinander aus. Nach einer Weile meinte Mateo: »Sechzehn Stunden. Ganz genau.«
In Xanders Kopf schrillten sogleich die Alarmglocken. Als er sich an seine Brüder angeschlichen hatte, hatten sie von drei Tagen minus sechzehn Stunden gesprochen. Hatte das irgendetwas mit Morgan zu tun? War sie verletzt? Wo befand sie sich eigentlich? Das Blut gefror ihm in den Adern.
Er senkte die Stimme um eine Oktave und fragte: »Stimmt etwas nicht?«
»Wie geht es deiner Nase, X?«, entgegnete Mateo und sah ihn mit seinen grünen Augen aufmerksam an.
Xander war verwirrt, und er hasste es, verwirrt zu sein. »Wovon redest du?«
Mateo warf einen Blick auf Tomás, der mit einer hochgezogenen Augenbraue vorschlug: »Atme mal tief ein, Mann.«
Als er das tat, traf ihn Morgans
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