Die Verraeterin
gefallen, und zumindest bot die Akademie die Chance, sein Gesicht zu wahren.
Sie bot ihren Vätern die Chance, das Gesicht zu wahren. Die Jungen, die einmal die knallharten Killer des Syndikats werden sollten, scherten sich damals nicht im Geringsten um solche Dinge.
Mateo war der Sohn eines Herzogs, der zu den Grande do Imperio gehörte – den Großen des Imperiums. Mit sechs Jahren nannte er seinen unerträglich eitlen Vater einen cachorro puto vor dem versammelten Rat von Manaus. Jetzt lehnte er an der Arbeitsplatte neben dem Spülbecken, die muskulösen Arme verschränkt vor seiner Brust, und nagte an seiner Unterlippe.
Tomás, ältester Sohn des Hüters der Geschlechter der Kolonie, hatte sein Zuhause abgefackelt, als er mit acht Jahren einen Wutanfall bekam. Sein Vater hatte ihm zuvor mitten in einer Clanversammlung den nackten Hintern versohlt, weil er nicht hatte still sitzen können. Jetzt hockte er an einem großen quadratischen Holztisch und wippte nervös mit einem Knie, den Kopf gebeugt, die Hände hinter dem Nacken gefaltet.
Julian, ein Riese von einem Mann mit wuscheligen, dunklen Haaren, der stets das Fluchtauto fuhr, ganz gleich, wie der Auftrag lautete, hatte vom Baum eines Nachbarn Äpfel gestohlen. Er saß über einen Teller mit Pasta gebeugt ebenfalls am Tisch und schaufelte mechanisch das Essen mit starrem Blick in seinen Mund, als ob er gar nicht bemerkte, was er da tat.
Er – Xander – hatte das Pech gehabt, die falsche Frau zur Mutter zu haben.
Gemeinsam hatten sie seit ihrer Kindheit in Brasilien die hohe Kunst des Mordens und der Selbstverteidigung von der Pike auf gelernt, bis seine drei Brüder im Geiste als eine Art Spione zum amerikanischen Militär gegangen waren, während er langsam den Verstand verlor.
Sie waren die einzigen drei Männer auf der ganzen Welt, denen er sein Leben anvertraute. Sie kannten all seine Geheimnisse, und er kannte die ihren. Wenn es irgendeine Verbindung gab, die enger war, dann hatte er sie bisher noch nicht kennengelernt.
»Jungs«, sagte er. Ganz untypisch zuckten die drei zusammen, als sie seine Stimme hörten. Sie starrten ihn fassungslos an, als ob er Lazarus wäre, der gerade von den Toten auferstanden war.
Xander hob die Augenbrauen. »Was ist denn mit euch los, Jungs?«
Sie stürzten sich wie ein Rudel riesiger, ungeschlachter Hundewelpen auf ihn, umarmten ihn, klopften ihm auf den Rücken und veranstalteten ein solches Theater, dass er vor Schmerzen und Freude schon bald glaubte, alles doppelt zu sehen.
»Du siehst beschissen aus«, meinte Tomás, als sie sich wieder beruhigt hatten. Er trat einen Schritt zurück, um ihn mit kritischem Auge zu betrachten. »Du solltest noch im Bett bleiben.«
»Wie geht’s der Wunde, Mann? Wir dachten schon, dass wir dich verloren hätten, Bruder. Sah nicht gut aus«, sagte Julian, der seine große Hand auf Xanders Schulter gelegt hatte.
Mateo musterte ihn von oben bis unten und schüttelte dann den Kopf. »Du bist wirklich verdammt hart im Nehmen, weißt du das?«
»Und du bist noch genauso hässlich, wie ich dich in Erinnerung habe«, erwiderte Xander grinsend. »Aber ich vermute, dass ein Marinesoldat auch nicht schön sein muss, was?«
»Navy SEAL , Idiot«, knurrte ihn Julian von der Seite an. »Marinesoldat ist ja wohl ein Witz. Und wir haben hübschere Frisuren.«
»Trotzdem – ihr seid doch alle Kanonenfutter, wenn es nach dem Militär geht. Aber wir wissen, wer du wirklich bist, nicht wahr?« Er zwinkerte, und der große Mann grinste ihn nickend an, ehe er ihm einen Schlag auf die Schulter verpasste.
»Ein beschissener Fahrer, das ist er«, erklärte Tomás in einem zärtlichen Tonfall und warf einen Blick auf Julian. »Wir hätten dich schneller aus dem Hotel bekommen, wenn Driving-Miss-Daisy hier nicht so viel Zeit gebraucht hätte, um Monte Carlo hinter sich zu lassen.«
Julian sah ihn finster an. »Ich habe eine siebenstündige Fahrt in drei Stunden geschafft, Volltrottel. Mach das mal nach!«
Tomás zuckte mit den Schultern. »Wäre schneller gewesen, wenn dieser Bus mit den Bikinimodels nicht unbedingt vor dem Fairmont hätte halten müssen.« Er lächelte, und um seine Augen zeigten sich kleine Fältchen. »Ich dachte schon, du würdest ein Schleudertrauma erleiden. Oder einen Herzinfarkt.«
»Du bist aus Monaco hierhergekommen?«, fragte Xander überrascht. »Was hast du da gemacht?«
Jeder der drei wusste, wie man flog – ob es sich nun um eine einmotorige Cessna oder
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