Die Verraeterin
zurück und versuchte, sich Julians Griff zu befreien. »Ich mache nur meinen Job!«
»Ach, wirklich? Dann sag das mal dem Arm, der mir gerade eine verpasst hat! Sag das mal deinem Blut !«
Xander erstarrte. »Was? Wem soll ich was sagen?«, flüsterte er und sah Mateo fassungslos an. Das Licht in der Küche kam ihm auf einmal unerträglich hell vor. Grell und blendend …
»Lass mich los!«, fauchte Mateo und kam endlich frei. Er begann durch die Küche zu tigern, wobei er seine muskulösen Arme immer wieder anspannte und eine große Hitze ausstrahlte. Zwischendurch bedachte er die drei anderen mit mörderisch finsteren Blicken. Schließlich drehte er sich um und blieb stehen. Er sah Alexander an, und als er sprach, klang seine Stimme dumpf und schwerfällig, als ob er Steine im Mund herumrollen würde. »Bartleby hat eine Bluttransfusion vorgenommen – direkt von ihr zu dir. Genau«, sagte er, als Xander ihn fassungslos ansah. »Ihr Blut. In dir. Dadurch hast du überlebt.« Er wandte sich ab und ließ sich dann mit einem Seufzer schwer auf dem Küchenstuhl nieder, auf dem Julian zuvor gesessen hatte. Blind starrte er auf den Teller mit den inzwischen kalt gewordenen Rigatoni.
»Das hat sie getan? Sie hat das für mich getan?« Xander stockte der Atem, so überrascht war er. Sein Körper entspannte sich auf einmal vollkommen. Julian ließ ihn daraufhin los, behielt aber vorsichtshalber noch eine Hand auf seiner Schulter.
Mateo sah ihn an. Nach einem Moment des Schweigens atmete er hörbar durch die Nase aus. »Genau. Vielleicht bist du nicht der Einzige, der sich verbunden hat.«
»Ich bin nicht verbunden«, entgegnete Xander heiser.
Ein Mann, der sich mit einer Frau verbunden hatte, verteidigte aggressiv sein Revier, konnte wahnsinnig eifersüchtig werden und war seiner Frau vollkommen hörig. Er war bereit, für sie zu töten, für sie zu sterben, und er vergötterte sie.
Xander fühlte sich ganz und gar nicht so. Nein, das tat er sicher nicht. Nein, das konnte er nicht fühlen.
»Oh, Mann«, sagte Mateo finster. »Halt einfach die Klappe. Mit wem glaubst du eigentlich, dass du hier redest?«
Xander starrte ihn an. Sein Kopf war wie leer gefegt. »Ich kenne sie nicht einmal …«
»Offensichtlich weißt du aber genug von ihr. Als ihr Blut in dich eindrang, hast du gezuckt, als ob du vom Blitz getroffen würdest.«
Wenn er in diesem Moment etwas lockerer gewesen wäre, hätte er vielleicht sogar über Mateo und seine passende Ausdrucksweise lachen müssen. »Vom Blitz getroffen« bedeutete bei den Ikati, auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet zu werden. Genau so sah es aus, wenn ein Ikati Blut von seiner Partnerin empfing.
Von seiner Partnerin.
Für die Ikati war die Liebe mehr als eine Gemütsverfassung. Sie reichte tiefer als jede andere Emotion, tiefer als die Wünsche oder die Gelübde, die man sich in der Kirche gab, tiefer als ein gemeinsames Leben geteilter Werte und Ziele. Die Liebe änderte auch etwas auf einer körperlichen Ebene. Sie hinterließ ein Zeichen, einen Fingerabdruck, einen Seelenabdruck , der niemals wieder verschwand. Obwohl so manche Ikati durch den Hüter der Geschlechter in der Hoffnung zueinanderfanden, dass durch die Verbindung ihrer Begabungen besonders talentierte Kinder ihre Spezies weiterbringen würden, während andere sich ineinander verliebten und zu wahren Seelenpartnern wurden, galt für alle eine Verbindung fürs Leben. »Bis dass der Tod uns scheidet« waren nicht nur sechs Worte, die man so dahinsprach. Es war eine Erklärung an das Schicksal, an der es nichts zu rütteln gab. Unter den Ikati gab es keine Scheidung, keine Affären – nichts, was die Partner wieder trennte. Rein gar nichts.
Außer dem Tod.
Nein, durchzuckte es Xander. Das kann nicht sein! Das darf nicht sein!
Mateo stand auf und wies mit dem Kinn auf Julian und Tomás. »Wie auch immer – wir drei werden uns die nächsten sechzig Stunden oder so woanders herumtreiben. Es ist genug zu essen da und auch genügend Medikamente, bis wir wieder zurück sind. Bartleby wird hierbleiben, um sich um euch beide zu kümmern.« Er ging zur Treppe, die nach oben führte, und nahm jeweils zwei Stufen auf einmal. »Und wir haben übrigens gerne deinen verdammten Hintern gerettet«, maulte er, bevor seine Stiefel nicht mehr zu sehen waren.
Sie standen eine Weile betreten schweigend in der Küche, bis Tomás schließlich das Wort ergriff.
»Er wird sich wieder beruhigen. Er macht sich nur Sorgen um
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