Die Verraeterin
Herrn weder gefürchtet noch geliebt hatte, war es ihm nicht schwergefallen, ihn zu töten, sobald er alt genug war, selbst die Rolle des Königs zu übernehmen. Trotzdem – es war ein guter Rat gewesen.
Doch diesmal wäre es falsch, sie warten zu lassen. Er bedeutete ihnen, näher zu kommen, und sagte: »Tretet ein. Setzt euch zu mir.«
Die zwei riesigen Soldaten ließen sich auf Stühlen vor seinem Schreibtisch nieder. Die Möbel wirkten auf einmal winzig, und die zwei Männer sahen so aus, als säßen sie keineswegs bequem. Dominus musste ein Grinsen unterdrücken. Er musterte zuerst Lix, der langhaarig und unrasiert war, und dann D – tätowiert, kahlköpfig und seine übliche Aura von Gewaltbereitschaft ausstrahlend, die so düster wie ein Gewittersturm und genauso gefährlich wirkte.
Erzähl es mir, Bellator , dachte er. Mit verkniffenem Mund begann der Soldat zu sprechen.
»Es ging um den Vollblut-Ikati, den wir im Vatikan verfolgten«, sagte D, wobei er nur die Lippen bewegte. Sein restlicher Körper blieb so regungslos, als ob er versteinert wäre. Er hasste es, wenn Dominus in seinem Kopf herumspukte, was den König natürlich höchst amüsierte.
Dominus gab einen Laut von sich, der sein Interesse bekundete, und nickte D dann zu, dass dieser fortfahren solle.
»Er war hier, in der Fovea .« Seine Zunge fuhr über seine Lippen. »Mit der Frau.«
Die Augenbrauen des Königs zogen sich fragend in die Höhe. Er beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. »Weiter.«
»Sie war nackt«, fuhr D tonlos fort. »An die Wand gekettet.«
Diese Beschreibung trieb den Puls des Königs in die Höhe. Nackt. Angekettet. Seiner Meinung nach gab es keine schöneren Worte als diese beiden. Er musste sich das genauer vorstellen, wenn er später alleine sein würde. Vielleicht holte er sich eine seiner menschlichen Konkubinen zu Hilfe. Sie waren viel leichter einzuschüchtern als ihre Ikati-Kolleginnen, und er liebte es, wenn sie Angst vor ihm hatten, während er sie nahm. Er liebte es, sie schreien zu hören. »Und der Mann?«
D sog hörbar die Luft ein und richtete den Blick auf den Rand des Schreibtischs. »Sie haben ihm ein Messer in den Rücken gerammt. Sie haben ihn getötet.«
»Also bin ich der Gewinner«, sagte Dominus sehr leise.
D sah zu ihm auf. Seine Miene war versteinert, und seine Stimme klang sehr leise. »Sie sind immer der Gewinner, Majestät.«
Dominus lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Er war äußerst zufrieden. Dieser Mann, dem er da begegnet war, besaß Kräfte, von denen er noch nie gehört hatte. Er roch nach Tod, Gewalt und jener Art von seelenloser Härte, die er bisher nur von sich selbst gekannt hatte. All das hatte ihm ziemliche Sorgen bereitet.
Doch dieser Traum machte das Ganze viel leichter. Die Träume des Soldaten waren immer richtig, und so wie auch der Traum, der ihm von der Ankunft der zwei Fremden erzählt hatte, war auch dieser so eindrücklich gewesen, dass er seinen Widerhall noch viele Zimmer entfernt gespürt hatte. Er sah, wie Lix auf seinem Stuhl hin und her rutschte. Offensichtlich fühlte er sich noch immer unwohl. Dominus beschloss spontan, dass die beiden eine kleine Belohnung verdient hatten.
»Es sind noch drei Tage bis zum nächsten Purgare «, sagte er und dachte an die rituelle Begräbniszeremonie, die bei jedem Vollmond um Mitternacht für die Liberi stattfand, die ihre erste Verwandlung im vergangenen Monat nicht überlebt hatten. Ihre Mütter, die Bellatorum und der Rest der Oberschicht versammelte sich, um die Asche an einer geheimen Stelle des Tiber zusammen mit Blumen und Abschiedsworten zu verstreuen. Dominus hasste inzwischen jedes Purgare , da es ihm immer wieder sein Scheitern vor Augen führte. Aber nicht mehr lange. Das kommende Begräbnis konnte durchaus das letzte sein.
»Nehmt euch die nächsten Tage frei«, fuhr der König fort und registrierte zufrieden, wie schockiert die beiden Soldaten ihn ansahen. »Geht aus, besauft euch, verwandelt euch in der Villa Borghese, wenn ihr das wollt. Vilas wird euch Geld geben.« Er zeigte auf seinen treuesten Diener, der still aus dem Schatten im hinteren Teil des Zimmers trat und sich in ihre Richtung verbeugte. »Genießt die Tage.«
»Danke, Majestät«, sagte Lix, der mehr als verwirrt klang. Wieder bemühte sich Dominus, nicht zu lächeln. Der König war nicht für seine Milde oder seine Großzügigkeit bekannt, aber er liebte es, sein Gegenüber immer wieder zu
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