Die Verraeterin
denen die Bellatorum lebten, schliefen und trainierten, erinnerten stark an Militärbaracken. Hier gab es Schlafsäle, Essräume, Waffenlager und Konferenzräume, und zum Trainingsbereich gehörte ein Fitnessraum, eine Kampfarena und ein Schießstand. Da sie die Elite der königlichen Garde bildeten, besaßen sie mehr Freiheiten und Vorteile als die Halbblut-Soldatenkaste der Legiones , die in den Räumlichkeiten in der Nähe wohnten. Doch das bedeutete nicht, dass man sie verwöhnte, denn es sollte nicht die Gefahr bestehen, sie zu verweichlichten Soldaten zu machen.
Deshalb war auch die Decke, die D zwischen seinen Fäusten festhielt, dünn und kratzig.
»Wie spät ist es?«, fragte er Lix. Seine Stimme hallte heiser in der Stille des Raums wider. Er strich mit einer Hand über seinen Kopf und holte tief Luft, um gegen den Schwindel anzukämpfen, von dem er plötzlich überfallen wurde. Bei Träumen wie dem, den er gerade gehabt hatte, brauchte er eine Weile, um sich wieder zu erholen.
Lix war neben Ds Bett in die Hocke gegangen und sagte: »Ich habe nicht auf die Uhr geschaut, aber die Servorum kommen gerade. Muss also kurz vor Sonnenaufgang sein.«
Im Gegensatz zu den Bellatorum , die kommen und gehen konnten, wann sie wollten, durfte die Dienerkaste nur nachts nach draußen. Zumindest durften sie überhaupt nach draußen. Den ausgewählten Frauen des königlichen Harems, den Electi , sowie den kastrierten Männern, die sie bewachten – den Castrati –, war nicht erlaubt, die herrlichen Räumlichkeiten, in denen sie sich aufhielten, jemals zu verlassen. Auch die Hunderte von Kindern, die mit den Electi lebten und unterschiedlich alt und begabt waren, hatten noch nie die Welt über ihnen gesehen.
Nur Vollblut-Mitglieder der Bellatorum , die Optimates und die engen Verwandten des Königs – mit Ausnahme der principessa Eliana – durften kommen und gehen, wie es ihnen beliebte.
D stand auf und zog hastig die Kleider an, die er auf den Spind am Ende seines Bettes gelegt hatte. Er schnürte die Stiefel zu und legte seine Waffen an: eine Neun-Millimeter-Glock an die rechte Hüfte, ein Khukuri, dessen Spitze vergiftet war, an die linke Hüfte, Faustmesser in jeden seiner Stiefel, weitere Messer in den Taschen seiner Hose. Er blickte auf die zwei leeren Betten, in denen Lucien und Aurelio geschlafen hatten, und sein Mund wurde schmal. Er wurde den schrecklichen Verdacht nicht los, dass sie nie mehr dort liegen würden.
»Wo ist Constantine?« Lix erhob sich und verschränkte die Arme vor der Brust. D spürte den Zorn des anderen Mannes wie einen Feuerball.
»Bei Celian«, antwortete Lix düster.
Sie sahen sich an. Celian lag bewusstlos in der Krankenstation, wo ein blutiges Tuch nach dem anderen auf seinen geschundenen Rücken gepresst wurde. Die neunschwänzige Katze war berüchtigt für ihre Brutalität. Celian würde eine ganze Weile lang nicht zur Arbeit kommen können und schreckliche Schmerzen erleiden, während seine aufgerissene Haut wieder zusammenwuchs.
»Wie geht es ihm?«, fragte D.
Lix zuckte mit den Schultern. »Er hat viel Blut verloren, aber in einigen Tagen wird es ihm wieder gut gehen, das weißt du doch. Celian ist hart im Nehmen.«
»Ich meinte Constantine«, unterbrach ihn D, während er seinen langen Mantel anzog.
Lix holte tief Luft und fuhr mit einer Hand über sein Gesicht. Dann ließ er beide Hände sinken und atmete auf. »Er spricht nicht.«
Was bedeutete, dass ihn das Ganze sehr mitnahm, wie es das immer tat – was Dominus natürlich auch wusste.
Der König kannte die Schwächen jedes Einzelnen, und Constantines Schwäche waren seine Brüder. Sie bedeuteten ihm mehr als ihr grausamer König, und wenn sie litten, litt auch er. Vor allem, wenn er der Grund ihrer Leiden war. Wie in dieser Nacht, als er dazu gezwungen wurde, Celian bis zur Bewusstlosigkeit auszupeitschen, während der König amüsiert zusah. Dominus hatte über die Jahre Constantines Treue immer wieder auf schreckliche Weise auf die Probe gestellt, und D hatte sich schon gefragt, wie lange es noch dauern würde, ehe das Fass überlief.
Er fluchte leise, als er sich an den Traum und den Ausdruck auf Constantines Gesicht erinnerte, als dieser abdrückte. In seiner Miene waren Hass und tiefe Befriedigung zu sehen gewesen. Offensichtlich war es bald so weit, dass er endgültig die Nerven verlor.
»Ich habe geträumt«, sagte er zu Lix, der ihn mit einem trockenen Lächeln bedachte.
»Ich weiß. Deshalb bin ich
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