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Die verratene Nacht

Die verratene Nacht

Titel: Die verratene Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen Gleason , Joss Ware
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sprechen schienen, und dass in der Ecke da ein Mann und eine Frau saßen, umgeben von einem wabernden, blauen Leuchten. Die warteten.
    Aber die Wolke blieb grau und sie betete darum, dass sie nicht blau wurde. Denn Blau bedeutete das Ende.
    „Selena.“ Die Stimme, begleitet von einer zärtlichen aber festen Hand auf ihrer Schulter, brach sich schließlich einen Weg durch ihre Gedanken.
    Es war Theo, er brachte sein Gesicht ganz nah in ihres, als wäre er entschlossen, ihre ganze Aufmerksamkeit zu haben. Seine Augen waren weich und braun, aber entschlossen. „Du musst dich etwas ausruhen. Bitte.“
    „Nein“, sagte sie und drehte sich wieder zu Sam. „Ich kann ihn nicht allein lassen.“
    Aber als sie auf ihn herabschaute, kam einer der von dem blauen Licht umflorten Gestalten aus der Ecke und stellte sich neben das Bett. Selena konnte ihre Füße nicht sehen. Es war eine Frau mit langem, dunklem Haar und als sie Selena anblickte, war es, als würde sie selbst sich in einem fast blinden Spiegel sehen.
    Eine jäh aufblitzende Erkenntnis fuhr durch sie hindurch. Mutter? , flüsterte sie.
    „Selena“, drang Theos Stimme erneut bis zu ihr durch. „Du fällst selber gleich um vor Erschöpfung. Komm mit mir.“
    Geh mit ihm.
    Da erlaubte sie Theo, sie mit sich fortzuziehen, in der Gewissheit, dass ihre Mutter bei Sam sein würde, bis sie zurückkehrte.
    Theo brachte sie nach draußen, wo die Sonnenstrahlen ihre stumpfen Sinne wärmten, und mit seinem Arm um ihre Hüfte lief sie einfach weiter. Bevor sie sich darüber im Klaren war, näherten sie sich dem Reise-Rad, weit weg vom Haus, weg von den dunklen Gedanken und der Wolke aus silbergrauer Wirklichkeit.
    Er half ihr in eines der Wägelchen hinein und sie widersetzte sich nicht. Ihre allgemeine Taubheit begann nachzulassen und Gefühle unterschiedlichster Art droschen auf sie ein. Angst. Furcht. Ungläubigkeit.
    Hass.
    Aber als das Rad sich langsam emporschwang und der aufkommende Wind ihr durchs Haar fuhr, blinzelte sie und fühlte . Der Boden entschwand, die Bäume wurden kürzer, als die Gondel mühelos und sanft hochstieg. Er saß ihr gegenüber und sie schaute draußen über das bewaldete Gelände. Eine Fahrt auf dem Reise-Rad zu machen, war bei Tag eine ganz andere Erfahrung. Sie lächelte fast bei dem kleinen inneren Kitzeln, als sie oben ankamen und dann wieder runterglitten. Immer noch langsam und sanft, als ob sie auf einer runden Welle dahintrieben.
    „Iss das“, sagte er und zwang ihr etwas in die Hand, während er sie von dem Sitz gegenüber anschaute. „Ich weiß nicht, wie lange es her ist, dass du gegessen hast. Gestern? In Yellow Mountain? Ich weiß auch, dass du seit langer Zeit nicht mehr geschlafen hast.“
    Da schien Selena aus ihrer tranceartigen Erschöpfung zu erwachen und Theo empfand eine unbändige Dankbarkeit für den neuen, wachen Ausdruck, der in ihren Augen aufflackerte. Er war immer noch dabei zu versuchen, all die Teile zusammenzutragen, von dem, was geschehen war, und mit all den Emotionen klarzukommen, die auf einmal zum Vorschein gekommen waren. Schock war nur eine davon.
    Und er wusste, dass Lou voller Schuldgefühle und Reue war. „Ich hätte derjenige sein sollen“, hatte er oben in den Arkaden gesagt, kurz zuvor. „Ich hätte derjenige sein sollen! Ich habe mein verdammtes Leben schon gehabt. Warum einer, der so jung ist?“
    Wieder das Warum.
    Theo blickte rüber zu Selena, die einen Bissen von dem Sandwich genommen hatte, das er für sie gemacht hatte. Sie kaute und ihre Augen waren wieder klar, nahmen Dinge um sie wahr.
    Auf einmal blickte sie ihn unverwandt an. „Danke“, sagte sie. „Ich glaube, ich habe das gebraucht. Wegzukommen.“
    Er nickte. Ihre Dankbarkeit schien echt, aber da war noch etwas anderes, was darunter lauerte. „Du könntest auch etwas Schlaf gebrauchen, denke ich.“ Er kam vorsichtig auf ihre Seite, das Wägelchen schaukelte ein wenig, kippte mit seinem zusätzlichen Gewicht etwas weg, und er legte seinen Arm auf die Lehne hinter ihr. „Ruh dich hier mit mir ein wenig aus.“
    Sie schien steif, aber er schrieb das dem Schock und der Angst zu. Er bugsierte sie sanft näher zu sich und war erleichtert, als sie sich in seine Armbeuge nestelte. Vielleicht würde sie etwas schlafen.
    Er hatte Lou die Arkaden gezeigt und jegliche Begeisterung, die sein Zwilling vielleicht hätte empfinden können, als man ihm Brad Blizeks privates Heiligtum vorstellte, ging an dem tragischen Tag unter. Sie

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