Die verratene Nacht
nach. Es war vielleicht besser so. Er hätte eine bessere Chance etwas zu sehen zu bekommen, ohne den Klotz am Hals.
Das meiste von den eiligen Vorbereitungen, so nahm er an, war vergebens: die Kopfgeldjäger ließen sich nicht ohne Weiteres hinters Licht führen. Sie waren sicher aus einem ganz bestimmten Grund hier. Aber da er noch nie bei einem ihrer Besuche zugegen gewesen war, war er sich nicht sicher, was alles dazu gehörte.
Der Metallschmied, der Plastikarbeiter, der Gummi-Schmelzer, der Weber und die Kleider-Reparierer kamen nach und nach alle aus ihren Geschäften, zusammen mit ihren Mitarbeitern. Die Menschenmenge, die auf dem Patio hinter dem McDonalds gewesen war, zerstreute sich und sah aus, als hätten sie jetzt was zu tun. Die Gärtner in kleinen Schrebergärten mit Tomaten und anderen Gemüsesorten legten ihre Körbe beiseite. Wenn die Snoopies kamen, so schien es, kamen alle zusammengelaufen, um sie zu begrüßen.
Alle außer Theo. Er schlüpfte zwischen ein gut erhaltenes Gebäude und einen hohen Baum und kletterte in die vielverzweigten, dicht belaubten Äste hinauf. Es schien niemandem aufzufallen und am Ende hatte er einen guten Blick auf den Eingang der Siedlung, während die Blätter zugleich eine gute Tarnung boten.
Als er sich auf dem Ast da niederließ, hörte Theo, wie die Fahrzeuge in die Siedlung reingefahren kamen. Die Tore wurden – selbstverständlich ohne jedes Zögern – für sie geöffnet. Das Geräusch von Reifen, die auf dem mit Kies bestreuten Zentrum des Dorfes knirschten, klang unheilverkündend und zugleich vertraut.
Theo erblickte etwa ein Dutzend Männer, die aus dem Humvee kletterten und sah zu, wie die Bewohner von Yellow Mountain vortraten, um sie zu begrüßen, aus den Gebäuden herbeikamen, um sich auf exakt dem gleichen Platz zu versammeln, wo sie zwei Wochen zuvor für Vonnies Geschichten gesessen hatten.
Dann erkannte er einen der Männer wieder, als dieser sich rasch umdrehte, um einem seiner Gefährten Anweisungen zu erteilen, seine langen, blonden Dreadlocks flogen ihm dabei um die Schultern. Verdammter Hurensohn.
Es war der Kopfgeldjäger namens Seattle. Der, der Theo eine Kugel in die Brust gejagt hatte – die Kugel, die ihn getötet hatte.
Automatisch duckte sich Theo wieder hinter die Blätter. Das hier konnte nichts Gutes verheißen.
Wäre Seattle alleine gewesen, hätte Theo nichts lieber getan, als seinen Arsch da raus zu bewegen und dem Arschficker die Hand zu reichen. Er könnte einen Stoß elektrische Ladung durch seine Finger senden und ihn wie einen Stein zu Boden krachen lassen. Scheiße, nein. Nein, das konnte er nicht.
Nicht mehr. Scheiße nochmal.
Jene Wut, die er hatte herabbrennen lassen, begann zu köcheln und er packte den Baum fester, atmete ruhig. Nicht der Augenblick, um etwas Unbedachtes zu tun.
Waren sie hier auf der Suche nach ihm? Oder aus irgendeinem anderen Grund?
Mittlerweile hatten Seattles Begleiter sich jeweils paarweise auf den Weg gemacht. Sie hielten Gewehre und sahen aus, als würde sie die auch einsetzen.
Heilige Scheiße.
Theo sah zu, während die Kopfgeldjäger die Einwohner von Yellow Mountain in Reihen aufstellten. Zwei von ihnen schienen eine Liste zu überprüfen und die anderen schwärmten aus, in Richtung der verschiedenen Häuser und Geschäfte.
Was zum Teufel ging da unten nur vor sich? War es eine Art Volkszählung oder identifizierten sie jeden einzelnen und machten einen Haken hinterm Namen aus einem anderen Grund? Theo schürzte die Lippen, das Herz hämmerte ihm. Weder für ihn noch für die anderen Mitglieder des Widerstands, war es ein Geheimnis, dass die Fremden menschliche Wesen für alles Mögliche verwendeten, angefangen von Sklaven bis hin zu ihrer Unterhaltung, für was auch immer sie die wollten. Ob das hier eine Art Auswahlverfahren oder eine andere Art von Herrscherritual war, war noch nicht klar. Aber egal was nun, es stank nach Scheiße.
Theo beobachtete, wie Seattle und seine Begleiter ihre Liste weiter durchgingen. Zugleich fing eine Gruppe von Yellow Mountain Bewohnern an, große Fässer nach draußen zu tragen. Sie stellten diese auf dem Boden vor den Fremden ab.
Seattle inspizierte den Inhalt – er hatte ganz offensichtlich den Oberbefehl – und schien zufrieden. Er brüllte weitere Order in die Runde und fuchtelte wild mit seinem Gewehr herum, während er sich mit einigen seiner Begleiter besprach. Andere waren aus einem der Häuser hervorgekommen und trugen etwas, was
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