Die verratene Nacht
wir uns auch keine Sorgen mehr um Unordnung machen, nicht wahr? Wie wär’s, wenn du mir zeigst, wo ihr euer Lager aufgeschlagen habt. Ich bin sicher, Marck hat zumindest etwas Nützliches hinterlassen. Außer dir natürlich.“
Es war alles so schnell geschehen, dass Remy kaum glauben konnte, dass Ian weg war. Tot oder auf dem besten Weg dahin.
Dantès war verschwunden; das verursachte ihrem Herzen so große Schmerzen, dass sie lieber nicht weiter drüber nachdachte.
Und jetzt war sie in den Besitz von Seattle übergegangen.
Vom Regen in die Sintflut.
Das einzig Gute war, dass es deutlich einfacher sein würde, dieser Sintflut zu entkommen, als dem Regen zuvor.
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SIEBZEHN
Selena ging gerade von Franks Garten zurück zum Haus, als sie es hörte: das brummende Geräusch, das ihr ganzes Leben lang noch niemals etwas Gutes verheißen hatte.
Der Magen verdrehte sich ihr und sie packte den Korb grüner Bohnen und Tomaten an ihrer Hüfte fester und eilte mit wild pochendem Herzen zum Haus.
Sie waren schon lange nicht mehr hier gewesen. Die Snoopies. Nicht, seit sie den Tod von einem der Kumpels von Seattle vorhergesagt hatte. Hatte das ihr ein falsches Gefühl der Sicherheit gegeben?
Ja, natürlich.
Sie schaute zum Tor und jenseits davon und sah, wie ein einzelnes, schwarzes Fahrzeug auf die Mauer zu holperte. Sie hatte von Wayne und Buddy gehört, die aus Yellow Mountain verschwunden waren, und sie dachte an die Arkaden oben, mit all den geheimnisvollen Computern und Spielen, die in letzter Zeit wieder viel zum Einsatz gekommen waren. Töricht! Töricht!
Das Fahrzeug war jetzt in der Nähe des Tors und Frank war aus dem Nichts aufgetaucht, hielt sich in der Sonne eine Hand über die Augen, und sah ebenso wie sie schweigend zu.
Keiner von beiden machte Anstalten, das Tor zu öffnen.
Der Truck hielt an und zwei Türen öffneten sich. Zwei Männer stiegen jeder auf einer der beiden Seiten aus, beide groß gewachsen und dunkel und zu weit weg, als dass sie ihren Gesichtsausdruck eindeutig hätte erkennen können.
Frank rubbelte sich mit einer Hand über die kurzen Borsten seines Haars und schlurfte zum Tor hin, er ging etwa viermal so langsam, wie er üblicherweise ging. Er führte eine recht lange Unterhaltung mit einem der Männer, der jetzt nahe genug herangekommen war, so dass Selena sein Gesicht besser erkennen konnte. Er sah so gut aus, dass sie gerne zweimal hinschaute, etwa um die dreißig, und sie erkannte in ihm keinen der Kopfgeldjäger wieder, die sie kannte. Er schien nicht bedrohlich, obwohl er sich selbstbewusst und absolut sicher bewegte.
Frank nickte und öffnete das Tor und wenige Augenblicke später rollte der Truck da durch.
Die zwei Männer stiegen wieder aus und sie lief jetzt vorwärts, wobei sie sich den zweiten Mann anschaute. Sie vermutete, dass er ein bisschen älter war, vielleicht so um die vierzig. Eher wild als gut aussehend, vermittelte er das Gefühl von ... etwas ... kaum Gezügeltem an ihm. Und eine Aura von Macht und Sicherheit umgab ihn.
Selena kam näher, teilweise um Frank zu unterstützen, teilweise aus Neugier.
„Ich bin Elliott“, sagte der erste Mann, der direkt auf Selena zuging. „Ein Freund von Theo. Und Lou.“ Seine blauen Augen waren sanft und besorgt. Sie fühlte sich bei ihm augenblicklich wohl. „Es tut mir so Leid, die Nachricht von Deinem Sohn zu hören, mein Beileid. Ich hatte gehofft, rechtzeitig hier zu sein.“
Selena schluckte den großen Klumpen, der ihr plötzlich im Hals steckte, und schaffte es, ihre Augen trocken zu halten. „Danke. Ich glaube nicht, dass man irgendwas hätte tun können. Aber ich danke dir. Kommt ihr von weit her?“
„Wir kamen von Envy her“, sagte der andere Mann. Sie wandte sich ihm zu und erkannte sofort einen tief vergrabenen Schmerz in seinen harten Augen und in diesem Gesicht wie aus Stein. „Wir sind schon seit über zehn Tagen unterwegs, auf der Suche nach euch. Und ich heiße Wyatt.“
In dem Moment kam ein lautes, bellendes Geräusch aus dem Truck, was Wyatt dazu veranlasste, sich umzudrehen. Sein Gesicht wurde etwas sanfter und er ging rüber zu dem Fahrzeug, wo er eine Tür öffnete, um einem riesigen, wild aussehenden Hund zu ermöglichen auszusteigen. Er landete auf dem Boden und stolperte wegen einem offensichtlich verletzten Bein, was Wyatt dazu brachte, neben ihm niederzuknien, das Tier einmal fest zu umarmen und dann ausgiebig zu streicheln.
„Das ist Dantès“, sagte Wyatt und der
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