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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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hoffe nur, dass deine Art uns nicht alle den Kopf kostet.«
     
    Dann kommt endlich Aureljo und er wirkt erschöpft. Tycho und Fleming tragen Dantorian in die Halle, der den Tag damit verbracht hat, für die kleineren Kinder mit Kohle auf Steintafeln zu zeichnen und ihnen Lieder auf einer Flöte vorzuspielen. Seine Zuhörer folgen ihm noch immer, hüpfen um ihn herum und wollen nicht wahrhaben, dass das Konzert für heute beendet ist.
    »Es war faszinierend«, meint Aureljo.
    Wir haben uns in eine Ecke der Halle gesetzt, halb hinter Fellen verborgen, die zum Trocknen aufgespannt sind.
    »Diese alten Gebäude … Ich habe dort Fotos gefunden, auf Papier gedruckt. Sie waren in einer Schatulle, all diese Gesichter, und die Menschen sind schon so lange tot …«
    Ich nehme ihn in den Arm. Einer von euch ist ein Verräter, warnt mich mein Verstand, doch ich ignoriere die Mahnung. Sollte es Aureljo sein, sollte er mich, uns alle an die Exekutoren ausliefern wollen, dann soll es so sein. Dann kann ich es nicht ändern, aber ich ertrage es nicht länger, ihm zu misstrauen. Außerdem hat er einen der Sentinel erschlagen, um mich zu retten. Mir fällt kein Grund ein, warum er das tun sollte, wenn er ohnehin meinen Tod will.
    Ich kuschle mich an ihn. »Hast du gesehen, mit wem Tomma sich angefreundet hat?«
    »Ja. Ich mache mir Sorgen um sie, sie kann nicht abschätzen, worauf sie sich da einlässt.«
    »Ich spreche später noch mal mit ihr. Ich fürchte, es ist meine Schuld, dass –«
    In diesem Moment öffnen sich die beiden Türflügel und das Essen wird hereingebracht. Ich habe erwartet, dass die Prims sich darauf stürzen und um die besten Stücke kämpfen würden, doch sie verhalten sich erstaunlich gesittet. Jeder sucht sich einen Platz an der u-förmigen Tafel und Andris winkt uns mit einer herrischen Geste zu den anderen.
    Der Teller, auf dem ich meine Portion serviert bekomme, muss in seinem früheren Leben ein Spiegel gewesen sein. Das Glas ist noch heil, wenn auch blind, und der Rahmen ist an zwei Stellen zerbrochen, trotzdem bewahrt er das Fleisch vor dem Herunterrutschen. Jetzt, da es vor mir liegt, begreife ich kaum, wieso ich den Hunger, der in mir tobt, bisher nicht registriert habe. Die Prims um mich herum haben schon zu essen begonnen, also tue ich es ihnen gleich.
    Es ist nicht viel, aber es kommt mir unsagbar köstlich vor, jeder Bissen. Niemand hat mir Messer oder Gabel gegeben, also esse ich mit den Händen, reiße mit den Zähnen Stücke aus dem Fleisch, und es stört mich überhaupt nicht.
    Nach den ersten Bissen nehme ich mich zusammen, zwinge mich, das Fleisch langsam und gründlich zu kauen, obwohl ich am liebsten alles auf einmal hinunterschlingen möchte. Ich mache Pausen und sehe mich nach den anderen um – Tycho, Fleming, Dantorian. Sie stürzen sich ebenso gierig auf ihr Mahl wie ich.
    Urplötzlich lässt mich ihr Anblick erschauern.
    Wir verwildern, denke ich, während ich sie beobachte. Die Elite der Akademie, die Hoffnungsträger des Sphärenbundes. Drei Tage sind erst vergangen und wir sind nicht mehr von den Prims zu unterscheiden.
    Ich brauche ja nur an mir herunterzusehen. Mein Fellumhang ist verkrustet von getrocknetem Schlamm und auf der Thermojacke, die darunter hervorlugt, hat tropfendes Bratenfett seine Spuren hinterlassen. Wenn jetzt ein Trupp Sentinel hereinstürmen würde, hätten sie es schwer, uns auseinanderzuhalten, die Studenten und die Clanmitglieder.
    Möglicherweise ist das sogar gut und ich sollte das aufwallende Gefühl der Scham unterdrücken.
    Würde, hat Grauko immer gesagt, ist nichts, was man äußerlich trägt.
    Trotzdem esse ich die letzten drei Bissen noch bewusster und bemerke, dass Fiore zu mir sieht. Ihr Teller ist noch halb voll, als hätte sie keinen Appetit.
    Ich will Aureljo fragen, ob Fiore heute wieder zu den Suchern gestoßen ist und, wenn ja, was er von ihr hält, doch jetzt steht der Mann auf, den Quirin mir als Fürst Vilem vorgestellt hat. Er wartet einige Herzschläge lang, dann schlägt er drei Mal mit der Faust auf den Tisch. Die Gespräche verstummen.
    Vilem sieht in die Runde. »Das Jagdglück war heute auf unserer Seite.« Seine Stimme ist so heiser, dass ich ihn kaum verstehe.
    Irgendwo rechts von mir schreit ein Kind und wird von der Mutter hinausgebracht.
    »Auch die anderen Trupps haben gute Arbeit geleistet. Wir können bald damit beginnen, ein weiteres Feld anzulegen. Die Sammler sind heute mit besonders vielen und wertvollen

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