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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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sicher richtig.« Aureljos Hand spielt mit meinem Haar. »Waren sie gut ernährt?«
    »Zu dünn, alle drei.«
    Sein Brustkorb hebt sich, er seufzt. »Weißt du was, Ria? Ich kann es kaum erwarten, die Akademie abzuschließen. Wir werden an Schlüsselstellen sitzen und dann werden wir die Welt verändern.«
    Liegt mein Kopf so wie jetzt auf seiner Schulter, kann ich seine Worte gleichzeitig hören und spüren. Schließe ich dabei noch die Augen, glaube ich sie sogar. Wir werden Lösungen für alle Probleme finden: Essen, Wärme, Sicherheit. Keine unterernährten Kinder mehr, die im Schnee ausgesetzt werden. Keine Überfälle auf Studenten mehr, die nach neuen Nahrungsquellen forschen. Aureljo glaubt daran und ich denke oft, dass er an erster Stelle gereiht ist, weil er diesen Glauben auf andere übertragen kann. Nicht so sehr, weil ihm jemand zutraut, diese hochgesteckten Ziele wirklich zu erreichen.
    »Soll ich heute Nacht hierbleiben?«, murmelt er.
    Ich überlege kurz, dann schüttle ich den Kopf. »Ich bin keine gute Gesellschaft im Moment. In meinem Kopf ist so viel, das ich ordnen möchte.« Dass ich außerdem allein sein will, mit der Nacht außerhalb der Kuppel, den lautlos herabsinkenden Schneeflocken und den Schatten der Sentinel, die draußen ihre Runden ziehen, das behalte ich für mich.
    Später, als Aureljo fort ist, bereue ich meine Entscheidung. Der Roman mit all seinem Sonnenschein und den Problemen einer längst vergangenen Welt macht mich wider Erwarten traurig. Ich lade ein anderes Buch herunter, einen Kriminalroman, in dem es um eine Mordserie in Sphäre Neu-Berlin 1 geht, doch die Geschichte ist flach und vorhersehbar. Also spare ich Energie, schalte das Licht neben meinem Bett aus und versuche zu schlafen.
     
    Am darauffolgenden Tag sind wir mitten im Körpertraining, als mir die abgelaufene Leihfrist wieder einfällt. Wenn ich die Bücher nicht innerhalb der nächsten halben Stunde in die Bibliothek zurückbringe, verliere ich das Privileg, alte Werke mit in mein Quartier nehmen zu dürfen. Außerdem bedeutet es ein Wochenende lang Ordnerdienst. Zurückgegebene Bücher einsortieren, Regale putzen, Leseterminals auf unerlaubte Dateien hin überprüfen. Und all das in der grell orangefarbenen Ordneruniform, zur Unterhaltung der jüngeren Jahrgänge.
    Ich überhole Tomma, die vor mir ihre Runden dreht, lege die Gewichtsmanschetten ab, die ich um Handgelenke und Fußknöchel trage, dann sprinte ich – mit einem Mal viel leichter – auf dem kürzesten Weg durch die Kuppeln 5 und 7 zu meinem Quartier.
    Wenn ich mich beeile, halte ich nicht nur den Rückgabetermin ein, sondern bin auch pünktlich zum Mittagessen in der Mensa. Mein Salvator wird keinen Grund haben, eine Meldung zu schicken, und alle sind zufrieden.
    Alte Bücher bekommt man nur in einer Schatulle aus Metall ausgehändigt, in der man sie aufbewahren und transportieren soll. Ich klemme mir den schweren und unhandlichen Kasten unter den linken Arm, so geht es, obwohl die Kanten sich unangenehm in meine Achselhöhle drücken.
    Wenn ich die Wahl zwischen kostbarem, bedrucktem Papier und einem Download auf mein Datenterminal habe, entscheide ich mich meistens für das Buch, auch wenn es unpraktischer ist. Besonders dann, wenn es um Geschichte geht. Die Seiten vermitteln den Eindruck, als hätten sie all das, was auf ihnen geschrieben steht, selbst miterlebt. Andere haben lange vor mir ihren Blick auf die gleichen Zeilen gerichtet und manchmal kommt es mir so vor, als könnte ich ihre Gedanken hören.
    Das Buch über die Wasserkriege hat auch Lu gelesen, vor ungefähr zwei Monaten, sie hat mir kopfschüttelnd davon erzählt. So weit kann es heute nicht mehr kommen , nicht , solange der Sphärenbund besteht ,hat sie gesagt. Wenn ich den ausgebleichten Buchrücken berühre, um den auch sie ihre Hände gelegt hat, ist es, als könnte ich Kontakt zu ihr aufnehmen.
    Ich bin schneller gewesen als vermutet, ich werde es rechtzeitig schaffen. Vorbei am Medcenter, das die ganze Kuppel 7 für sich beansprucht, vorbei an den inneren Quartieren. Da ist die Bibliothek, ich habe noch Luft, nehme zwei Stufen auf einmal und erreiche die Rückgabestelle fünf Minuten vor Ablauf der Frist.
    Eine der jüngeren Studentinnen nimmt die Bücher entgegen, legt sie auf das Lesegerät, dessen Licht vier Mal grün aufleuchtet. »Gerade noch so«, meint sie. »Willst du dir etwas Neues raussuchen?«
    Nein, nicht heute. Ich schüttle den Kopf und schlage den Weg zu

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