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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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bemerkt nicht, dass sich meine Gedanken an einem anderen Ort befinden, ebenso wie mein Blick.
    Fleming hat eben etwas gesagt, das »ein weiter Weg« heißen könnte, woraufhin Morus nun zustimmend nickt. Sprechen sie über die Reise? Oder die Ausbildung? Würde Fleming eine Andeutung machen, wenn er das Gleiche wüsste wie ich? Ich versuche, mich an unsere Begegnung in der Mensa zu erinnern: Wir haben kaum ein Wort gewechselt, aber dass eine Frage in Flemings Augen stand, war nicht zu übersehen. Und am letzten Ruhetag, auf der Bühne, schien es, als würde er jeden Moment umkippen.
    Gäbe es die Abhörfunktion der Salvatoren nicht, hätte ich versucht, mit Fleming zu sprechen. Aber ich kann das Risiko nicht eingehen, dass er falsch reagiert, ich kenne ihn zu wenig. Tycho ins Bild zu setzen war schon gewagt genug.
    Ich wünschte, Aureljo wäre ebenso misstrauisch, doch er sitzt am anderen Ende der Tafel und führt ein angeregtes Gespräch mit Gorgias.
    Durchschaut er die Dinge besser als ich?
    Nein. Ich darf mich nicht beirren lassen. Die papiertrockene Stimme des Fremden meldet sich wieder in meinem Kopf: Die Regierung will einen Schnitt, sauber und endgültig.
    Ist es möglich, dass der Präsident uns in seine Sphäre beordert, um uns dort vor ein Gericht zu stellen, heimlich, unter Ausschluss der Öffentlichkeit?
    Von allen Möglichkeiten scheint mir diese die beste. Sie lässt zumindest einen Funken Hoffnung, dass wir den Irrtum aufklären können. Wenn ich die Nerven aufbringe, werde ich die lange Fahrt morgen nutzen, um mir Eckpunkte für eine Verteidigungsrede zurechtzulegen.
    Erst jetzt fällt mir auf, dass der Redeschwall zu meiner Linken versiegt ist. Die Klimatologin blickt mich an und wirkt ein wenig beleidigt. Ich muss vergessen haben, Interesse zu heucheln.
    »Tut mir leid«, entschuldige ich mich und unterdrücke ein Gähnen. »Die Vorbereitungen heute waren sehr kräfteraubend, ich bin müder, als ich dachte.«
    Das versteht sie natürlich, wie sie mir wohlwollend versichert. An meiner Stelle wäre sie ja so aufgeregt. Nun beginnt sie, davon zu erzählen, wie sie einmal beinahe den Präsidenten getroffen hätte, als er auf einer Rundreise durch die Sphären war.
    Einen Moment lang habe ich das Gefühl, aufspringen und davonlaufen zu müssen. Es überwältigt mich so plötzlich, dass ich ihm fast nichts entgegenzusetzen habe. Meine Füße stemmen sich schon gegen den Boden, in Gedanken habe ich meinen Stuhl bereits zurückgeschoben, bin aufgestanden und losgelaufen. Allein die Vorstellung erleichtert mich unbeschreiblich.
    Doch mein Training war gut genug. Mein Blick fällt auf Grauko und ich weiß, wie enttäuscht er von mir wäre. Dieses Wissen rettet mich. Das und der Anblick von Tycho, der bleich und stumm vor seinem unberührten Teller sitzt.
    Mit ihm hätte ich sprechen sollen. Einen Plan entwickeln. Oder zumindest Gedanken austauschen, dann wäre uns beiden leichter ums Herz. Aber die Gelegenheit dazu ist ungenutzt verstrichen und der morgige Tag rückt mit jeder Sekunde näher.
    Ich betrachte die Menschen, die rund um die Tafel sitzen, und frage mich, ob einer darunter ist, der genau weiß, was uns erwartet.

14
    Die Magnetbahn hängt an ihrer Schiene wie eine überdimensionale Made, hellgrau und rund. Die Treppen sind ausgeklappt und in der Tür steht ein Sentinel mit goldenem Kragen. Abteilung Kommando, Reisebegleitung für wichtige Persönlichkeiten.
    Ich habe kaum geschlafen und fühle mich, als wäre mein Körper ein Kleidungsstück, das nicht passt. Zwei der grünen Sentinel haben mich abgeholt und zur Bahnstation begleitet, die eine ganze Kuppel ausfüllt. Ich habe Todesängste ausgestanden, dass sie mein Gepäck kontrollieren und der Inhalt meinen Ruf als Verschwörerin festigen wird. Doch sie haben sich nur um den großen Koffer gekümmert, mein alter Rucksack war ihnen nicht einmal einen Blick wert.
    Aureljo ist schon da, Tycho ebenfalls. Er ist grau im Gesicht und tritt unaufhörlich von einem Bein aufs andere. Wir nicken einander kurz zu.
    »Es ist ein wundervoller Tag zum Reisen.« Aureljo deutet nach oben und ich sehe, was er meint. Die Wolkendecke über der Kuppel ist heute dünner als sonst, da und dort zerfasert sie und lässt kleine Stücke blauen Himmels erahnen. Wenn wir Glück haben, werden wir die Sonne sehen.
    Als Nächste trifft Tomma ein und ist die personifizierte gute Laune. »Ich kann es immer noch nicht glauben!« Sie singt mehr, als dass sie spricht, fällt mir um

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