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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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»Es ist in Ordnung.« Wenigstens meine Stimme klingt fest. »Bis gleich.«
    Kein Hohngelächter vonseiten der Prims, immerhin. Bis gleich, von wegen, sagt ihr lieber Lebewohl – das hätte mich aus der Fassung gebracht.
    Aureljo drückt meine Hand, hält sie, so lange es möglich ist. Dann bin ich aus der Tür.
    Wir gehen durch einen dunklen Korridor, vorneweg jemand mit einem traurig matten Licht in der Hand, hinter mir Andris wie ein pelzbewachsener Schatten.
    Zehn Stufen hinauf, die beiden letzten so brüchig, dass zwei aneinandergelegte Hände in die Risse passen würden. Wieder ein Gang, etwas länger diesmal, rechts und links liegen Zimmer, manche davon mit Türen – jede anders. Holz, Metall, gelegentlich ein Vorhang aus schwerem, schmutzigem Stoff. Was sich dahinter befindet, kann ich nur raten, die offen stehenden Räume sind jedenfalls leer.
    Noch einmal zehn Stufen und wieder ein Gang mit Türen. Vor der dritten auf der rechten Seite bleibt der Mann mit dem Licht stehen. Andris hämmert mit der Faust gegen das Holz.
    »Than! Das Mädchen.« Er wartet keine Antwort ab, sondern stößt die Tür auf, wofür er mehrere Anläufe benötigt. Offenbar passt sie nicht richtig in den Rahmen.
    Dann versetzt er mir einen leichten Stoß zwischen die Schulterblätter und ich stolpere in den Raum.
    Drei Lampen verwandeln die Finsternis in dämmriges Halbdunkel. Das Erste, was ich sehe, ist ein massiger Tisch, auf dem mehrere Schalen stehen. Dann beugt sich jemand vor, ins Licht.
    Sandor sieht anders aus als vorhin in der Wildnis. Er hat sein Haar zurückgebunden und trägt nicht mehr Leder und Fell, sondern Leinen. Um seine Schultern hat er sich etwas dick Gewebtes aus Wolle gelegt, das grün wirkt.
    Er grüßt nicht, sagt kein Wort, winkt mich nur näher.
    Hinter mir knallt die Tür gegen den Rahmen, mehrmals. Andris scheint beim Schließen ebenso große Probleme zu haben wie beim Öffnen.
    Es ist hier wärmer als im Keller, aber nicht viel. In einer Ecke steht ein kleiner, metallener Ofen, der mäßige Hitze abstrahlt. Ich unterdrücke den Impuls, mich direkt vor ihn zu stellen, und überlege, was die Prims darin verheizen.
    »Sag mir, was du von seinen Augen abgelesen hast.« Sandor stützt sich mit den Ellenbogen auf den Tisch.
    Ich entdecke einen kleinen Hocker, den ich mir heranziehen könnte, aber da Sandor mich nicht zum Setzen auffordert, bleibe ich stehen. Ich ahne, was es mit seiner Frage auf sich hat, will aber sichergehen.
    »Von Lennis’ Augen?«
    »Natürlich. Du hast behauptet, du könntest die Absichten der Lieblinge von ihren Augen ablesen. Also sag mir, was du bei ihm erfahren hast.« Er lässt den Blick nicht von mir, es kommt mir so vor, als würde er seinerseits versuchen, mich zu lesen. Das kann er haben.
    Ich lege Gelassenheit in meine Züge, was angesichts der Aufgabe, die Sandor mir stellt, nicht schwierig ist. Ich weiß, dass ich mich auf sicherem Boden bewege.
    »Der Mann, der mit uns in der Zelle sitzt, ist ein Sphärenbewohner, oder jedenfalls war er einmal einer. Damit ist in etwa das zusammengefasst, was von seinen Erzählungen der Wahrheit entspricht.«
    »So?« Sandor lehnt sich weiter vor. »Wie meinst du das?«
    »Er hat behauptet, ihr hättet ihn verschleppt, und zwar vor drei Monaten. Tatsächlich ist er aber bereits längst einer von euch. Vielleicht war er früher ein Gefangener, aber jetzt lebt er hier, seit vier oder fünf Jahren, schätze ich. Er muss eine von euch geheiratet haben, es gibt auch Kinder. Mindestens eins ist noch sehr klein.«
    Während ich spreche, stützt Sandor seine Hände auf die Tischplatte, als wollte er aufstehen, überlegt es sich aber anders und sinkt in seinen Stuhl zurück. »Woher willst du das wissen?«
    »Es stimmt, nicht wahr?«
    Seine Augen verengen sich zu Schlitzen. »Ich fragte: Woher ?«
    Ich verlagere mein Gewicht von einem Bein aufs andere. Lasse mir Zeit.
    »Lennis trägt die Uniform der Sentinel, allerdings sieht sie aus, als würde er sie seit fünf Jahren täglich anziehen. Sie ist ausgebleicht, zwei Knöpfe wurden durch Hornteile ersetzt und die Innenseiten der Ärmel sind abgewetzt. Das ist etwas, das mir auch bei den Lederjacken eurer Jäger aufgefallen ist, ich vermute, es stammt vom Gebrauch bestimmter Waffen oder Werkzeuge.«
    Sandors Augenbrauen heben sich, doch ich fahre fort, bevor er mich unterbrechen kann. »Das ist das eine, das ließe sich aber durch Zufälle oder gewisse Umstände erklären. Viel auffälliger war etwas

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