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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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das? Etwas anderes als Anführer?
    Ich sehe Aureljo an, der fast unmerklich mit den Schultern zuckt. Also wurde auch ihm dieser Begriff in Außenkunde nicht erklärt.
    Wir warten, während der Abend sich über uns herabsenkt. Die Plastikumhüllung an Tommas linkem Fuß hat sich gelöst, weshalb sie versucht, nur auf dem rechten zu stehen. Ihre Unterlippe bebt wie die eines trotzigen kleinen Kindes.
    Dann kommt Sandor zurück. »Keller zwei«, sagt er und weist mit dem Kopf zur Tür.
    Wir gehen, ohne dass Andris nachhelfen muss. Aus dem Haus dringt der Geruch nach … Gekochtem. Ich kann jedoch nicht sagen, was es genau ist. Jedenfalls nichts, was ich schon einmal gegessen habe. Von da und dort hört man gedämpfte Stimmen, aber wir werden in die andere Richtung getrieben. Weg von den Gerüchen, weg von den Stimmen. Nach unten.
    Der Keller ist feucht, aber es ist hier deutlich wärmer als draußen. Wir kauern uns zusammen, Sandor stellt eine merkwürdige Lampe auf den Boden, in der eine Kerze brennt. Sie sieht aus, als wäre sie mit bloßen Händen geknetet worden. Dann ist Sandor fort.
    Ich setze mich an die Wand und schiebe meinen linken Ärmel nach oben. Der Salvator wird sichtbar und mit ihm die Botschaft auf dem blau leuchtenden Display. Sie haben eure Spur verloren. Für heute.
    Wer auch immer mir diese Nachrichten sendet, muss erfahren haben, dass der Fahnder, den man uns nachgeschickt hat, keine Daten mehr übermittelt. Ich lese die Worte und habe ganz automatisch Grauko vor Augen, der mir aus der Ferne helfen will.
    Aber was, wenn es nicht so ist? Was, wenn mich jemand in falscher Sicherheit wiegen will – Gorgias vielleicht oder der farblose Sentinel? Er muss lediglich ein paar Nachrichten übermitteln, die echt und aufrichtig wirken, und dann eine Botschaft folgen lassen, die uns gutgläubig in eine Falle laufen lässt.
    Als ob das nötig wäre. Als ob unser Leben in den Händen der Prims nicht sowieso schon am seidenen Faden hinge.
    Dass wir noch leben, ist rückblickend erstaunlich genug. In meiner Vorstellung und laut den Erzählungen der Sentinel fackeln die Außenbewohner nicht lange, bevor sie jemandem einen Pfeil durch die Brust jagen oder ihm mit einem Prügel den Kopf einschlagen. Die Prims, in deren Gewalt wir uns befinden, überlegen immerhin, wie sie den größten Nutzen aus uns ziehen können.
    »Ich wünschte, ich wüsste, mit welchem Clan wir es zu tun haben«, murmele ich halblaut vor mich hin.
    »Schwarzdorn«, antwortet eine Stimme, die ich nicht kenne. »Östliche Linie.«
    Erst in diesem Moment begreife ich, dass wir nicht allein sind.
     
    Er ist mittelgroß, trägt die verschlissene Uniform eines Sentinel mit roten Abzeichen und erklärt, sein Name sei Lennis.
    »Sie haben mich vor drei Monaten verschleppt«, sagt er. »Da war noch tiefer Winter. Wir waren zu viert auf einem Rundgang, aber die Sicht war gleich null und irgendwann waren die anderen fort.« Er zuckt mit den Schultern. »Die Schwarzdornen haben mich so schnell gepackt, dass ich nicht dazu gekommen bin, meine Waffe zu heben.«
    »Nur deshalb lebst du noch, schätze ich«, wirft Fleming ein.
    »Ja.« Lennis sieht uns an, einen nach dem anderen. »Und ihr? Wie haben sie euch erwischt?«
    Aureljo setzt ihn mit knappen Worten ins Bild, verschweigt aber die wichtigsten Details. Mit keinem Wort erwähnt er die Verschwörung, in die wir verwickelt sein sollen, oder den Plan des Sphärenbundes, uns zu töten.
    »Die Magnetbahn wurde überfallen, die Banditen waren als Sentinel verkleidet und haben unsere Wächter erschlagen.« Er hält inne, ich sehe ihn mit der Erinnerung an seine eigene Tat kämpfen. »Wir konnten fliehen. Knapp.«
    Lennis ist unschlüssig, ob er die Geschichte glauben soll, obwohl sein schief gelegter Kopf und sein verständnisvolles Nicken den Eindruck von Mitgefühl erwecken.
    »Dann wird der Sphärenbund bald Einheiten schicken, um nach euch zu suchen und euch zurück ins Warme zu bringen, hm?«
    Keiner von uns antwortet. Ja, sie suchen uns, aber nicht, um uns zu retten.
    »So wird es wahrscheinlich sein«, sage ich schließlich. Es ist an der Zeit, das Gespräch in eine Richtung zu lenken, die uns nützen kann. »Sind in der Gegend häufig Sentinel unterwegs?«
    »Immer wieder, aber nicht so oft wie anderswo. Sie mischen sich nicht gern in Stammesfehden ein.«
    Aha. Der letzte Satz erklärt mir mehr als alles, was Lennis bisher von sich gegeben hat. Er ist ähnlich interessant wie die Flecken an seiner

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