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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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dass du wieder da bist«, flüstert er in mein Haar. »Haben sie dir etwas angetan? Geht es dir gut?«
    Ich schüttle meinen Kopf bezüglich der ersten Frage und antworte mit einem Nicken auf die zweite. Über seine Schulter hinweg suche ich nach Lennis. Doch der ehemalige Sentinel ist nicht mehr hier. Sie haben ihn wirklich nur in unsere Zelle gesetzt, um mich zu testen.

21
    Die Nacht ist kalt und wir drängen uns aneinander, wärmen uns gegenseitig, so gut es geht. Ich liege zwischen Aureljo und Tomma, beide spüre ich manchmal zittern, bei Tomma frage ich mich, ob sie vielleicht weint.
    Mein Schlaf ist seicht und voller unruhiger Träume, durch die Sandors weißer Vogel zieht.
    Als der nächste Tag anbricht und graues Licht durch das winzige Kellerfenster dringt, fühle ich mich wie durchgekaut und wieder ausgespuckt. Falls gestern noch eine Entscheidung über unser Schicksal getroffen wurde, werden wir wohl bald erfahren, wie sie aussieht. Ich bin nicht sehr optimistisch, und als jemand von außen den Schlüssel ins Türschloss steckt, mache ich mich bereit, mich notfalls zu wehren.
    Doch sie beachten mich gar nicht, sie holen Aureljo. Kurz danach Tycho.
    Die Abwesenheit der beiden liegt wie ein Gewicht auf uns übrigen vier. Wir versuchen, uns zu beschäftigen, indem wir Dantorians Beinwunde neu verbinden. Fleming, wieder mit Mundschutz und Handschuhen, bittet um sauberes Wasser und Tücher – es dauert eine halbe Stunde, aber dann erhalten wir das Gewünschte. Außerdem ein paar Streifen getrocknetes Fleisch und zwei Plastikflaschen mit Trinkwasser.
    Das Fleisch ist zäh und salzig, mehr als drei Bissen bekomme ich nicht hinunter. Mein Salvator schweigt und ich frage mich, ob er nun endgültig defekt ist oder ob er es einfach nur aufgegeben hat, mir meine Kost vorzuschreiben.
    Tomma rührt ihre Ration nicht an. »Wer weiß, was das ist. Menschenfleisch wahrscheinlich.«
    Ungefähr eine Stunde vergeht, dann kommt Aureljo zurück und sie nehmen Fleming mit.
    »Ich will nicht alleine zu den Wilden!« Tomma klammert sich an mich, ihre Augen blicken flehend. »Komm mit, Ria, bitte. Wenn ich dran bin. Ja?«
    Mit aller Behutsamkeit, die ich aufbringen kann, löse ich ihre Finger von meinem Arm. »Ich glaube nicht, dass das geht.«
    »Ich auch nicht«, pflichtet Aureljo mir bei. Er hat sich neben mich auf den Boden gesetzt und wirkt erschöpft. »Sie sind extrem misstrauisch und ich fürchte, jemand hat die Theorie in die Welt gesetzt, dass wir Spione sind. Von den Sphären ausgeschickt, um die Schwachstellen des Clans zu erkunden. ›Deshalb sind sie bei uns‹, hat Andris gesagt. ›Nicht bei den Schlitzern oder den Scharten, auch nicht bei den Nachtläufern. Wir sind zu lasch.‹ Es waren nicht wenige seiner Meinung.«
    »Nicht wenige? Wie viele Leute waren denn dort versammelt?«
    Aureljo denkt kurz nach. »Ungefähr fünfzehn. In einer Art … Halle mit einer großen Feuerstelle. Ihr Anführer war da, fast so groß wie Andris, mit einem Bart bis zur Brust.«
    Ich schüttle auf seine stumme Frage hin den Kopf. Nein, den habe ich gestern nicht gesehen.
    »Er hat die meiste Zeit nur zugehört, kaum ein Wort gesagt, aber ich denke, von ihm wird es abhängen, was sie mit uns tun. Ich habe ihnen versichert, dass wir keine Spione sind, dass wir ihnen nicht schaden wollen und ihnen dafür danken, dass sie uns ein Dach über dem Kopf gegeben haben.«
    Klug. Er hat es so dargestellt, als wären wir keine Gefangenen, sondern als hätte man uns Asyl gewährt. Ich hoffe, ich werde auch noch einmal geholt und bekomme eine Gelegenheit, mit dem Clanfürsten zu sprechen.
    In den schlaflosen Phasen der vergangenen Nacht habe ich mir heftige Vorwürfe gemacht. Eine solche Chance zu vergeben! Ich hätte Sandor auf unsere Seite ziehen können. Noch einmal versuchen müssen, ihm klarzumachen, wie wertvoll wir für seinen Clan sein könnten. Stattdessen habe ich mich auf völlig sinnlose Machtspielchen eingelassen. Solch ein Fehler wird mir kein zweites Mal passieren.
    Nach einiger Zeit kommt Fleming zurück. Von Tycho ist nach wie vor nichts zu hören oder zu sehen, ich beginne mir Sorgen zu machen. Er hat ein loses Mundwerk und ist impulsiv. Was, wenn das Yann mit der Keule nicht gefällt?
    Sogar Dantorian holen sie kurz darauf, sie tragen ihn zu zweit aus der Tür, bringen ihn aber viel schneller zurück als die anderen.
    Dann ist Tomma dran. Sie schreit und wirft sich auf den Boden, greift nach Aureljo. »Bitte! Sie werden mir

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