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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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gleichzeitig, den Ärmeren zu helfen. Wer etwas anderes sagt, lügt.«
    »Erzähl das den Minenarbeitern im Osten«, zischt Fiore. »Oder soll ich Minensklaven sagen? Und nein, ich habe noch kein Versorgungspaket bekommen, aber ich habe gehört, dass der Clan der Feuerschläger im Westen reichlich von euch beschenkt worden ist.« Sie verschränkt die Arme vor der Brust. »Seitdem sind es angeblich nur noch halb so viele. Die blutige Ruhr, sagt Quirin.«
    Fleming ist so weiß im Gesicht geworden, dass ich fürchte, er wird gleich umkippen. »Du willst damit andeuten, dass wir sie vergiftet haben? Ja?«
    »Nein, viel wahrscheinlicher ist, dass die Freude über eure Almosen so groß war, dass die Hälfte der Feuerschläger sich vor Begeisterung zu Tode geschissen hat.«
    Ich schnappe nach Luft. Der gelassene Umgang mit Ungerechtigkeit fällt mir immer noch schwer, trotz allen Trainings. Aber ich werde Grauko keine Schande machen.
    »Warum hätten wir so etwas tun sollen?« Aus meinem Ton sind lediglich Mitgefühl und Verständnis herauszuhören. Für die Benachteiligten, die es nicht besser wissen. »Um in ihre kalten Ruinen ziehen zu können? Wir bekämpfen Krankheiten und verbreiten sie nicht.«
    Fiore sieht mich an, dann schüttelt sie langsam, sehr langsam den Kopf. »In ihrem Territorium beginnt es zu tauen. Und überall dort, wo es taut, sind die Lieblinge sofort zur Stelle. Mit Waffen oder mit Essenspaketen. Quirin hat Meldungen von fünf verschiedenen Clans erhalten, die alle das Gleiche aussagen.«
    Es werden also Lügen über uns verbreitet und es ist nicht schwer, sich den Grund dafür vorzustellen: Jemand will einen Aufstand. Immer wieder werden Sphären angegriffen und die Attacken scheitern meist daran, dass die Angreifer zu wenige und ihre Waffen zu schwach sind.
    Aber Gerüchte wie dieses, über vergiftete Essensspenden, könnten die Prims dazu bringen, sich zu Tausenden zusammenzurotten, und dann … Aufstände. Verschwörungen. Flüsterpropaganda – irgendjemand setzt solche Geschichten in die Welt, um dem Sphärenbund zu schaden.
    Ein markerschütternder Schrei von draußen, das war kein Warnruf. Jemand ist verwundet oder tot. Ich kauere mich in einer Ecke zusammen und schlinge meine Arme um die Knie.
    »Zieht ihn dort weg!«, höre ich Andris brüllen. »Zwei Mann nach links! Die Speerträger zum Angriff!«
    Wieder ein Schrei, ein Aufheulen.
    »Worum geht es da draußen eigentlich?«, fragt Fleming. »Um eine kleine, flache Scheibe und ein paar Plastikflaschen?«
    Fiore schüttelt den Kopf. »In den letzten Tagen haben wir ein großes Haus für die Suche vorbereitet. Wir haben zwei Eingänge freigemacht und geprüft, in welche Räume man gehen kann, ohne zu riskieren, dass die Decke einstürzt. Die Scharten haben in der Nähe auf der Lauer gelegen und jetzt, nachdem die Vorarbeit geleistet ist, wollen sie das Haus einnehmen.« Sie streicht sich mit der flachen Hand über ihr kurzes Haar. »So machen sie es meistens und manchmal schaffen sie es. Leider.«
    Wieder ein paar gebrüllte Befehle. Schritte, Keuchen. Dann ein vielstimmiger Schrei, in dem sich Wut und Mordlust entladen.
    »Jetzt wird es gleich vorbei sein«, meint Fiore.
    Der Klang von Metall auf Metall, dann ein dumpfer Schlag, Schreie, Befehle, Klirren.
    Mein Herz schlägt viel zu schnell und zu stark, es hat den Salvator dazu gebracht, wieder Lebenszeichen von sich zu geben. Erst ein Vibrieren, nun Alarm, das Signal wird lauter und lauter.
    »Weißt du, wie man das abstellt?« Verzweifelt halte ich Fleming meinen Arm vors Gesicht. »Bitte, ich will nicht riskieren, dass der Ton die Scharten anlockt!«
    »Nein. Leider.« Behutsam streicht er über das zerkratzte Display, die leuchtend blauen Zahlen. »Dafür müsste ich Techniker sein. Aber lass dir doch die Lautsprechereinheit von Tycho zerstören.«
    Das hätte ich bereits getan, wäre da nicht das Erlebnis mit den Wölfen gewesen, die der Alarm vertrieben hat. Wenn der Ton eine Waffe sein kann, will ich ihn nicht missen.
    Also lieber auf das Atmen konzentrieren. Ein. Aus. Ganz. Ruhig. Den Schlachtlärm ausblenden. Ich denke an Schneeflocken, die auf eine Sphärenkuppel herabsinken, langsam und lautlos.
    Es funktioniert, der Alarm verstummt. Für den Moment.
    Auch draußen hat sich der größte Kampflärm gelegt, jemand ruft »Sie fliehen!«, ein paar Mal noch werden Bogensehnen gespannt und sirrend losgelassen, dann höre ich nur noch leises Ächzen und Andris’ Befehl, verschossene

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