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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Pfeile zu suchen und einzusammeln.
    Wir wagen uns aus dem Gebäude, Fleming als einer der Ersten, ich halte mich hinter den beiden Mädchen, die verächtliche Blicke über die Schulter werfen. Ich weiß nicht, ob das mir gilt oder Fiore.
    Draußen liegt roter Schnee. Nicht überall, aber vor dem Haus ist ein großer Fleck, ein langer Streifen Rot zieht sich über die Straße, Sprenkel übersäen auch noch den Boden vor dem nächsten Gebäude.
    Dort liegen drei Männer, regungslos und mit verdrehten Gliedern. Man könnte meinen, etwas würde aus ihnen herauswachsen, aber natürlich ist es umgekehrt. Aus ihren Körpern ragen Speer- und Pfeilschäfte.
    Im Unterschied zum weißen Schnee schmilzt der rote.
    Wie sehr mich der Anblick gelähmt hat, bemerke ich erst, als Fleming mich aus meiner Starre reißt.
    »Komm mit, ich brauche Hilfe!« Er zerrt mich zu den verletzten Prims aus unserer Suchtruppe, doch drei Bewaffnete blocken uns ab. »Ihr habt hier nichts zu suchen.«
    Ich will gerade anfangen, ihnen zu erklären, dass sie einen Fehler machen, da zieht Fleming mich schon weiter, zu den drei durchbohrten Männern, weist auf einen davon.
    »Fühl seinen Puls. Nein, nicht hier, am Hals.«
    Ich tue es, obwohl ich weiß, dass es keinen Sinn hat. Die Augen des Mannes stehen offen, er sieht an mir vorbei. Atmet nicht. Ich ziehe mir den Handschuh von der rechten Hand und überwinde mich. Berühre seinen Hals, die Stelle, wo die Schlagader verläuft. Kein Puls.
    Knapp neben meinen Fingern liegt eine braune, gedrehte Schnur, eine Art Halskette. Ich muss etwas fester ziehen, um das zutage zu fördern, was daran hängt: ein vergilbter Knochen mit zahlreichen, parallel liegenden Einkerbungen. Scharten.
    Ich zähle sie, es sind vierundzwanzig. Die letzten drei sehen frisch aus.
    Warum ich den Knochen mitnehme, weiß ich nicht. Vielleicht, weil ich an Lu denken muss und daran, dass der Mann eine der Kerben für sie geschnitzt haben könnte.
    »Lebt deiner noch?« Fleming steht hinter mir.
    »Nein.«
    »Dann lass es uns noch mal bei Andris’ Leuten versuchen.«
    Erst drängen sie uns wieder fort. Die Prims haben eine Art Kreis um die Stelle gebildet, wo ihre Verwundeten liegen und sitzen, Milan kniet bei ihnen, er kramt in einer ledernen Tasche, die an seiner Schulter hängt, und zieht eine Flasche heraus.
    »Ich kann euch helfen«, ruft Fleming über den menschlichen Schutzwall. »Ich habe Erfahrung in der Behandlung von Verwundeten!«
    Wenn seine Worte überhaupt einen Effekt haben, dann den, dass der Kreis sich noch enger schließt.
    »Wirklich.« So leicht lässt Fleming sich nicht abwimmeln. Er nimmt seinen Medpack, mit dem er sonst wie verwachsen ist, vom Rücken und hält ihn hoch. »Ich würde euch sehr gerne helfen.«
    Jetzt dreht sich einer um, ein Mann um die vierzig, sein rötlicher Bart reicht ihm bis zur Brust. »Bleib weg. Wir wissen, was wir tun.«
    Ich gestehe, die Verletzungen der Prims sind mir herzlich egal. Ich kenne keinen von ihnen und es ist offensichtlich, dass sie uns als Feinde betrachten. Aber gerade deshalb wäre es gut, wenn sie endlich begreifen würden, welchen Wert wir für sie darstellen.
    »Ihr solltet ihn helfen lassen«, unterstütze ich Fleming. Ernsthaft, aber ohne zu drängen. »Er hat sich in den letzten Jahren mit nichts anderem als Medizin beschäftigt. Außerdem hat er einen Eid geleistet, dass er nie Hand an jemanden legen wird, um ihm zu schaden.«
    Das Wort lässt Andris aufhorchen. »Einen Eid?«
    »Ja. Wer das nicht tut, darf bei uns keine Kranken behandeln.«
    »Wer sagt, dass dieser Eid auch gilt, wenn es um … Prims geht?« Er betont das Wort ganz bewusst, will meine Reaktion testen. Ich zucke nicht mit der Wimper.
    »Das macht keinen Unterschied. Überleg es dir schnell, der blonde Junge dort hinten blutet sich sonst zu Tode.«
    »Dann soll der Liebling es versuchen«, sagt Andris und zieht eine lange Klinge aus seinem Gürtel. Es ist eine unausgesprochene Drohung. Wir sollen nicht glauben, dass er uns vertraut.
    Fleming hält sich nicht mit Worten auf. Blitzschnell nimmt er eine Triage vor, so wie wir es in den grundlegenden Medizinseminaren gelernt haben. Bestandsaufnahme: Wer braucht am dringendsten Hilfe? Wer kann warten? Bei wem ist es ohnehin schon zu spät?
    Den Jungen mit der blutenden Beinwunde nimmt er sich als Erstes vor, Druckverband oberhalb der Wunde, desinfizieren, verbinden. Fleming bedient sich abwechselnd aus dem Medpack und aus Milans Tasche, er arbeitet mit

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