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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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verstellen. Vor den anderen. Aber auch vor mir?
    Und wenn es Tomma ist? Sie hat ein Talent dafür, sich so unbemerkt auf die Seite der Gewinner zu schlagen, dass man später glaubt, sie hätte dort schon immer gestanden. Nein, für sie würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen.
    Dann ist da Fleming. Gemessen daran, wie ich ihn heute erlebt habe, tut er alles, um Kranken zu helfen, um sie zu retten. Ist ihm zuzutrauen, dass er uns sehenden Auges den Exekutoren ausliefert? Wäre das nicht gegen seinen Eid? Ich weiß es nicht.
    Tycho und Dantorian sind mir noch fremd, besonders Dantorian, der selten spricht und hauptsächlich mit seiner Bisswunde beschäftigt ist. Was, wenn der Sphärenbund ihm eine Nachricht geschickt hat? Ich bin nicht die Einzige mit einem Salvator und seiner hat kürzlich noch geflackert und Werte ausgespuckt. Es ist denkbar, dass man Dantorian versprochen hat, ihn zu retten, falls er uns verrät.
    Ein Schauer überläuft mich und ich presse mich fester an Aureljo.
    Der Schlüssel heißt Beobachtung. Sehen und verstehen, das war die erste Lektion, die Grauko mich gelehrt hat. Ich werde jeden aus unserer Gruppe im Auge behalten, so gut es mir möglich ist. Schlechtes Gewissen verrät sich immer, auf die eine oder andere Art.
    Der Gedanke beruhigt mich und treibt mich langsam dem Schlaf in die Arme.
     
    Am nächsten Tag werde ich den Jägern zugeteilt.

24
    »Sie leben in Gruppen, und wenn sie sich in die Enge getrieben fühlen, werden sie unangenehm.« Sandor steht neben mir, die Hand, auf der sein Vogel sitzt, erhoben. »Wir wissen, wo sie ihre Futterplätze haben. Wahrscheinlich wird es nicht nötig sein, sie aufzuschrecken.«
    Er spricht von Wildschweinen, den riesigen Biestern, die Tycho uns beschrieben hat.
    »Was fressen sie?« Ich weiß nichts über diese Tiere, ich will sichergehen, dass sie mich nicht als Beute betrachten.
    »Alles. Sie reißen den Boden auf und holen sich, was sie finden.«
    »Ist der Boden nicht gefroren?«
    »Nein. Nicht mehr.« Damit lässt er mich stehen.
    Ich hätte gerne eine Waffe – am liebsten einen Speer, wie die vier Mädchen rechts von mir. Aber die Prims trauen mir nicht, ich soll nur tragen helfen und Köder auslegen.
    »Wenn wir einen Keiler sehen, wie gestern«, ruft Sandor uns zu, »verhaltet euch ruhig und hofft, dass er weiterzieht.«
    »Keiler, sind die so ähnlich wie Scharten?«, frage ich das Mädchen neben mir. Ich setze mein freundlichstes Gesicht auf, ernte aber nur Gelächter.
    »Ich sage doch, die Lieblinge sind dumm«, tut eine der vier ihren Freundinnen kund. Sie drehen mir den Rücken zu und setzen ihre Unterhaltung leiser fort. Dabei lassen sie Sandor keinen Moment unbeobachtet.
    Ein schlechter Start, ich hätte vorbereitet sein müssen. Der Tag hat schon frühmorgens die falsche Richtung genommen. Ich wurde als Einzige zu den Jägern geschickt, während Fleming und Tycho heute Boden freilegen. Aureljo und Tomma sind den Suchern zugeteilt. Ich bin also nicht nur allein unter Fremden, sondern kann auch niemanden aus unserer Gruppe beobachten.
    Der Marsch zieht sich länger hin als gestern. Wenn mein Gefühl mich nicht trügt, bewegen wir uns in Richtung der Ruine, wo wir die tote Maia gefunden haben, und sofort fallen mir die Wölfe wieder ein. Über sie hat Sandor nichts gesagt.
    Ich frage mich, ob die Kinder der Clans auch Jäger und Wolf spielen, so wie wir früher. Wahrscheinlich nicht. Hier sind die Jäger echt und die Wölfe gefährlich.
    Niemand geht neben mir, niemand lässt sich auf ein Gespräch mit mir ein. Vorneweg marschieren schweigende Jäger mit Bögen und Speeren; sie suchen die Umgebung und den Himmel ab. Einer von ihnen dreht sich manchmal zu mir um, in den Augen Hass. Wäre er der Clanfürst, hätte man uns sicher längst getötet, jede Wette. Und er ist nicht der Einzige, immer wieder begegnen mir Prims, die sich flüsternd unterhalten, den Kopf schütteln, mich finster betrachten – sie verstehen nicht, warum wir noch leben. Durchgefüttert werden. Mittlerweile verstehe ich es selbst nicht mehr, nach allem, was Fiore mir gestern erzählt hat. Sie müssen uns für das Böse schlechthin halten.
    Die Jägerinnen hinter mir beschäftigt hingegen etwas ganz anderes. Ich höre sie lachen und miteinander wispern.
    »… ein Gesicht wie ein König …«, sagt eine.
    »… meint, das sei merkwürdig, er hat früher …«, fügt eine zweite hinzu.
    Mehr verstehe ich nicht. Ich habe große Lust, mich umzudrehen und

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