Die verschollene Flotte 04 - Gearys Ehre
Gefangenentransport. Sehen Sie? Es entweichen Wärme und Atmosphäre, was bedeutet, dass die Syndiks einige Quartiere hergerichtet haben und dass die Lebenserhaltungssysteme noch arbeiten. Ich möchte wetten, auf der Audacious
wimmelt es von Kriegsgefangenen der Allianz. Wahrscheinlich ziehen sie sie zur Zwangsarbeit heran, damit sie mithelfen, deren Schiffe zu reparieren.«
»Verdammt.« Er musste den Plan anpassen. Sie mussten das beschädigte Allianz-Schiff in ihre Gewalt bekommen, bevor…
»Tanya, würden die den Antrieb der Audacious in die Luft sprengen?«
Mit ernster Miene nickte sie. »Wir haben das schon gemacht, sie ebenfalls. Ganz sicher treffen sie jetzt die ersten Vorbereitungen dafür.«
Dann hatten sie ja nichts zu verlieren. Für Geary war es einer der größten Schocks gewesen, als er miterlebt hatte, wie Flottenpersonal der Allianz den kaltblütigen Mord an Kriegsgefangenen plante, indem es alles vorbereitete, um ein feindliches Schiff zu vernichten - während alle Gefangenen noch an Bord waren! Diese Flotte - seine Flotte - würde so etwas nicht länger dulden, doch Geary wusste auch, dass das für die Syndiks sicher kein Anlass war, anders als bislang üblich zu verfahren. Er musste also nicht fürchten, die Syndiks auf Ideen zu bringen, die ihnen nicht schon längst durch den Kopf gegangen wären. Er unterbrach seine Arbeit und tippte auf die Komm-Kontrolle: »An das Personal der Syndikatwelten im Lakota-System. Hier spricht Captain John Geary, Kommandant der Allianz-Flotte. Ich mache Sie hiermit auf Folgendes aufmerksam: Sollten die Kriegsgefangenen der Allianz auf dem Schlachtschiff Audacious oder auf einem anderen Schiff durch einen vorsätzlich überhitzten Antrieb oder einen anderen Gewaltakt ums Leben kommen, dann werde ich dafür sorgen, dass jedes Schiff, jedes Shuttle und jede Rettungskapsel der Syndikatwelten in diesem System vernichtet werden.
Wenn Sie unsere Leute am Leben lassen, dann schwöre ich bei der Ehre meiner Vorfahren, dass ich Sie alle entkommen lasse. Wenn Sie sie töten, erwartet jeden Einzelnen von Ihnen der qualvollste Tod, den ich Ihnen zufügen kann.« Es würde ungefähr zehn Minuten dauern, ehe seine Nachricht die Syndik-Formation erreicht hatte, in deren Mitte sich die Auda-
cious befand, also kurz nachdem die Syndiks das Eintreffen der Allianz-Flotte bemerkt haben würden. Er konnte nur hoffen, dass das noch genügte.
»Das sollte sie aufhorchen lassen«, murmelte Desjani, die wieder auf das Display sah und ihre Kontrollen bediente.
Geary widmete sich seinen Aufgaben, zu denen nun auch noch gehörte, die Überreste der Audacious zu schützen. Die Arbeit schien ewig zu dauern. Langgestreckte Kurven zogen sich über das Display, überschnitten sich und vollführten einen komplizierten Tanz. Tatsächlich nahm das alles nur Sekunden in Anspruch, auch wenn es um zahllose Schiffe ging, die in Position gehen sollten.
»Fertig«, sagte Desjani und schnappte nach Luft.
Nachdem er sich um den letzten Schweren Kreuzer gekümmert hatte und die vom Computersystem errechnete Lösung dargestellt wurde, nickte Geary. »Ich auch. Überprüfen wir gemeinsam noch mal alles, okay? Ich will sichergehen, dass die schweren und die leichten Schiffe so positioniert sind, dass sie sich gegenseitig unterstützen können, wenn es nötig werden sollte.«
»Ist so gut wie erledigt, Sir.«
Sein Blick wanderte über das, was er und Desjani gemeinsam ausgearbeitet hatten. Elegante Bögen, die die Flugbahnen der Schiffe darstellten, durchzogen das All und bildeten ein schön anzusehendes Bild, das nichts von den todbringenden Absichten erahnen ließ, die sich dahinter verbargen. Die Bewegungen der Zerstörer und Kreuzer waren vielleicht nicht bis zur Perfek-tion auf die der schwereren Schiffe abgestimmt, aber alles funktionierte und konnte bis zum eigentlichen Feindkontakt noch einer Feinabstimmung unterzogen werden. Immerhin hatte er in Erwägung gezogen, Desjani könnte einfach die ihr unterstellten Schiffe auf den Gegner hetzen, aber sie hatte die Flugbewegungen so koordiniert, dass die Kampfstärke eines jeden Schiffs in improvisierten Formationen maximal genutzt werden konnte. Offenbar hatte sie ihn nicht bloß bei der Arbeit beobachtet, sondern auch daraus gelernt. Gemeinsam war es ihnen gelungen, das Beste aus dem gegenwärtigen Flotten-status herauszuholen, indem sie den Pulk in zwölf Unterformationen zerlegt hatten, in deren Mitte sich jeweils mindestens ein Schlachtkreuzer
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