Die Verschollene Flotte Der Hinterhalt
dass Rione eine Politikerin war. Mit großem Entsetzen hatte Geary erfahren müssen, dass die Flottenoffiziere den gewählten Führern der Allianz mit dem ärgsten Misstrauen begegneten, das man sich vorstellen konnte. Jetzt deutete er mit einer leichten Kopfbewegung auf die Luke, durch die Rione den Konferenzraum verlassen hatte. »Auch wenn sie mir und allen anderen eine Menge verheimlicht, bin ich trotzdem fest davon überzeugt, dass es zwei Dinge gibt, die Victoria Rione zutiefst liebt. Das eine ist ihr Ehemann, über den wir herausgefunden haben, dass er in Kriegsgefangenschaft geraten ist und womöglich noch lebt. Das andere ist die Allianz. Für die Allianz würde sie ihr Leben opfern, Tanya, so wie Sie und ich. Glauben Sie nicht, sie täte das nicht, nur weil sie keine Uniform trägt. Rione ist der Allianz treu ergeben, und ich glaube, sie ist so unbestechlich, wie es ein Mensch nur sein kann. Sie ist oft eine schreckliche Nervensäge, trotzdem können wir ihr vertrauen.«
»Ein Gutes hat Heradao«, meinte Desjani. »Wenigstens können wir da mühelos unsere Feinde identifizieren.« Dann merkte sie in einem für sie völlig untypischen, melancholischen Tonfall an: »Manchmal denke ich an die Zeit zurück, bevor wir Sie gerettet hatten. Damals lautete die Antwort auf alles: ›Tötet die Syndiks.‹ Sie waren der Feind. Der Sieg war unser, wenn wir genügend von ihnen getötet hatten. Es hat zwar nicht funktioniert, aber es war auch alles viel einfacher. Sie haben unser Leben viel komplizierter gemacht.«
»Die Syndiks sind nach wie vor der Feind«, entgegnete Geary. »Solange wir uns auf diese Tatsache konzentrieren, sollte das Ganze nicht zu kompliziert werden.«
»Sie bitten mich darum, einen Politiker zu respektieren«, hielt sie ihm vor Augen. »Das ist keine Leichtigkeit.«
Er musterte sie einen Moment lang und versuchte zu verstehen, wieso Flottenoffiziere wie Desjani der Allianz gegenüber treu ergeben sein konnten, wenn sie zugleich den gewählten Führern der Allianz keinen Respekt entgegenbrachten. Zum Teil war das sicher eine völlig verständliche, menschliche Einstellung, da jeder einen Sündenbock dafür benötigte, dass der Krieg keine Fortschritte machte. Zudem hatte Rione selbst ihm gegenüber eingeräumt, dass die politischen Führer der Allianz in vollem Umfang für ihr Handeln während der letzten hundert Jahre verantwortlich waren. Vielleicht war er ja in dieser Hinsicht ein lebender Anachronismus, ein Offizier, der daran glaubte, dass man den Führern der Allianz automatisch Respekt entgegenzubringen hatte, und für den alles andere einfach zu schwer zu akzeptieren war. »Ich denke, Sie werden mir einfach vertrauen müssen, wenn ich sage, wir können ihr vertrauen.«
Desjani gab einen mürrischen Laut von sich. »Ich werde mein Bestes geben, sie mit Respekt zu behandeln, weil das meine Pflicht als Offizier ist und weil Sie für sie bürgen, aber ich gehe nicht davon aus, dass ich ihr jemals werde vertrauen können.« Sie näherte sich der Luke, ohne den Blick von ihm abzuwenden. »Ich akzeptiere Ihr Urteil, weil ich Ihnen vertraue.«
Hunderte Kriegsschiffe und ihre Besatzungen vertrauten ihm, dass er sie nach Hause brachte. Das Schicksal der Allianz und vielleicht sogar der gesamten Menschheit hing von seinen Entscheidungen ab, aber es war das Vertrauen dieser einen Frau, das ihm wirklich wichtig war. Rione hatte einmal davon gesprochen, dass Leute eigentlich nie für eine große Sache kämpften, sondern dass sie aus den persönlichsten Gründen den Kampf wählten. Selbst wenn sie behaupteten, sich für irgendwelche hehren Ideale einzusetzen, kämpften sie in Wahrheit doch nur für die Kameraden an ihrer Seite und für die geliebten Menschen, die zu Hause saßen. Geary drehte sich um und betrachtete das Sternendisplay. Sein Blick wanderte von Heradao weiter zu Padronis, Atalia und schließlich Varandal. So nah. So weit waren sie gekommen. Und jetzt musste er sicherstellen, dass sie den Rest des Weges auch noch hinter sich brachten, ganz gleich, was bei Heradao auf diese Flotte wartete.
So viele Menschen vertrauten ihm, waren überzeugt davon, dass er in der Lage war, die Flotte nach Hause zu führen. Und einer von diesen Menschen war Tanya Desjani.
Bevor die Flotte Dilawa verließ, musste er noch eine weitere Besprechung einberufen. Sobald sie im Sprungraum waren, konnten nur noch einfache, kurze Nachrichten von Schiff zu Schiff übermittelt werden. Es handelte sich um eine
Weitere Kostenlose Bücher