Die verschollene Flotte: Die Wächter: Roman (German Edition)
hatte.
Erneut lächelte Rione ihn an. »Ich bin daran schon gewöhnt. Ich reagiere mit Erstaunen, Entsetzen oder Bestürzung auf ihre Vorwürfe. Ich bitte sie um Beweise, ich berufe mich auf eine Schlichtungsklausel im Friedensvertrag. Ich verspreche ihnen, mich mit der Angelegenheit zu beschäftigen. Dabei wissen sie, dass ich mit ihnen spiele und dass gar nichts geschehen wird, dass ihr Hypernet-Portal nicht mehr da ist und dass sie uns diesen Verlust niemals werden nachweisen können. Ich versichere, es macht sie völlig rasend.«
Er erwiderte das Lächeln und meinte: »Sie sind gut darin, Leute zur Raserei zu bringen, wie?«
»Das ist eine Gabe.«
»Wieso sind Sie wieder so hilfsbereit? Hat die Begegnung mit den Kiks und den Tänzern denn tatsächlich so viel verändert?«
»Was so viel verändert hat«, entgegnete sie, nachdem sie kurz weggeschaut hatte, »ist Ihre Entdeckung, was mit meinem Ehemann nicht stimmt. Was man Commander Benan angetan hat, und der Grund, wieso man es ihm angetan hat – das geht so weit über jegliches Verhalten hinaus, das die Öffentlichkeit der Allianz-Regierung zutrauen und vielleicht auch zubilligen würde, dass ich jetzt im Besitz eines ungeheuren Druckmittels bin. Das werden die wissen, die versucht haben, mich zu benutzen und mich zu erpressen.«
»Aber wenn Sie damit an die Öffentlichkeit gehen, dann könnte das Ihren Ehemann buchstäblich umbringen.«
Sie nickte gelassen. »Das würden sie an meiner Stelle sowieso machen, und deswegen werden sie glauben, dass ich auch so vorgehen will. Hüten Sie sich vor Leuten, die davon überzeugt sind, dass sie recht haben, Admiral. Diese Überzeugung erlaubt es ihnen, bei der Verfolgung ihrer Ziele beinahe jedes Handeln zu rechtfertigen.«
»So wie die Syndik-CEOs in diesem System?«, fragte Geary und hörte die Verbitterung aus seinen Worten heraus. Wäre es doch nur möglich, sie persönlich für das bezahlen zu lassen, was sie der Orion angetan haben …
Sie schüttelte den Kopf. »Mich würde es sehr wundern, wenn auf deren Seite irgendwelcher Idealismus zu finden wäre; oder irgendein Gespür dafür, was richtig und was verkehrt ist. Diese CEOs haben das getan, wovon sie glaubten, dass sie persönlich davon am meisten profitieren. Es mag auch ein privates Rachemotiv eine Rolle gespielt haben, falls sie jemanden im Krieg verloren haben. Aber durch meine Gespräche mit Ex-CEO Iceni in Midway habe ich einen besseren Einblick in die Denkweise der CEOs bekommen. Ihr interner Sicherheitsdienst hat Menschen hervorgebracht, die wirklich an das System glaubten. Aber alle anderen wurden entweder durch Eigeninteresse oder Angst motiviert.«
»Wie kann ein solches System überleben?«, wollte Geary wissen.
»Durch Eigeninteresse und Angst.«
»Meine Frage war ernst gemeint.«
Rione reagierte wieder einmal mit diesem herablassenden Blick. »Meine Antwort ebenfalls. Eigeninteresse plus Angst funktionieren gut, zumindest eine Zeit lang. Und zwar so lange, bis das Eigeninteresse, das nicht durch eine übergeordnete Loyalität gebändigt wird, zerstörerischer wird, als das System es aushalten kann. Und bis die Angst, sich gegen das System zu erheben, von der Angst verdrängt wird, weiter in diesem System leben zu müssen. Früher oder später läuft es immer darauf hinaus. Im Fall der Syndikatwelten versetzte der Krieg ihre Anführer in die Lage, die Angst vor uns zu nutzen, um die Angst davor zu schüren, sich gegen das eigene System zu erheben. Die Syndikatwelten zerfallen nicht nur, weil der Krieg eine so große Belastung dargestellt hat, und auch nicht, weil sie den Krieg und infolgedessen einen erheblichen Teil ihres militärischen Personals verloren haben. Sie zerfallen auch, weil die Angst vor der Allianz nicht länger benutzt werden kann, um die einzelnen Individuen und die einzelnen Sternensysteme an die Syndik-Regierung zu binden.«
»Ich verstehe«, sagte Geary nachdenklich. »Die Allianz sieht sich ganz ähnlichen Belastungen ausgesetzt, weil die Angst vor den Syndiks für unseren Zusammenhalt gesorgt hat.«
»Ein Feind von außen ist für jeden Politiker das Beste, was er sich wünschen kann«, kommentierte sie ironisch. »Indem sie auf einen solchen Feind zeigen, können sie sehr vieles entschuldigen und rechtfertigen. Aber das heißt nicht, Feinde von außen seien nie real. Wie heißt diese alte Redewendung doch gleich noch? Nur weil man paranoid ist, bedeutet das noch lange nicht, dass nicht doch jemand da ist, der
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