Die Verschollene Flotte Fluchtpunkt Ixi
Grinsen hatte. »Die Leute reißen gern Witze, ich sei deswegen auch zum Geheimdienst gegangen, damit niemand etwas von meiner dummen Entscheidung erfährt.«
Diesen Witz hätte Iger auch vor hundert Jahren reißen können, es hätte keinen Unterschied gemacht. Geary konzentrierte sich wieder auf die Briefe von Baldur. »Was schreiben sie über die Allianz?« Sekundenlang herrschte Schweigen, bis Geary die beiden Männer ansah. »Schreiben sie überhaupt irgendetwas über die Allianz?«
Iger nickte betrübt. »In erster Linie wiederholen sie die Syndik-Propaganda, Sir. Einer der letzten Briefe im Speicher wurde verfasst, nachdem unsere Flotte gesichtet worden war, und er ist fast so etwas wie ein Vermächtnis. Es gibt noch einige Nachrichten mehr, die noch nicht vollständig geschrieben und daher nicht gesendet worden waren. Alle Schreiber gehen davon aus, dass wir alles im Baldur-System auslöschen werden, dass wir nicht zwischen zivilen und militärischen Zielen unterscheiden werden. Sie drücken die Sorge um die Sicherheit ihrer Familien aus. Ein Schreiber berichtete von einem Verwandten, der von uns gefangen genommen worden war, und schrieb, er sei von uns ganz bestimmt umgebracht worden. Alles solche Dinge.«
»Propaganda?«, wiederholte Geary. »Lieutenant, ich weiß, dass Allianz-Streitkräfte seit einiger Zeit zivile Ziele bombardieren und dass Gefangene hingerichtet werden.«
Der Offizier schien geschockt zu sein. »Aber das war situationsbedingt, Sir! Es war eine Notwendigkeit. Das war noch nie Allianz-Politik - ganz im Gegensatz zur Syndik-Politik.«
»Der Bevölkerung scheint dieser feine Unterschied nicht deutlich zu sein, Lieutenant.« Geary zeigte auf den Reader. »Diese Leute sind unzufrieden mit ihren Führern, aber vor uns haben sie Angst. Ist das eine zutreffende Einschätzung?«
»Ich … Ja, Sir, das ist möglich.«
»Was folglich bedeutet, dass die Syndik-Bevölkerung ihren Führern weiterhin den Rücken stärkt und den Krieg erträgt, weil sie vor der Allianz Angst hat. Angst, die wir durch unser eigenes Handeln geschaffen haben.«
Schließlich meldete sich der Petty Officer zu Wort: »Aber, Sir, wir haben diese Dinge nur getan, weil wir es mussten.«
Geary versuchte, einen Seufzer zu unterdrücken. »Angenommen, das stimmt zu hundert Prozent, und ich habe keinen Zweifel, dass das Allianz-Personal davon felsenfest überzeugt ist … Wissen die Syndiks das auch? Oder beurteilen die Bewohner der Syndik-Welten uns nach unserem Handeln, aber nicht nach unseren Rechtfertigungen für unser Handeln?«
»Sir«, sagte Lieutenant Iger, der Geary anstarrte. »Sie haben aufgehört, zivile Ziele zu bombardieren und Gefangene zu töten, kaum dass Sie das Kommando übernommen hatten. In jedem Syndik-Sternensystem, das wir durchquert haben, weiß man jetzt, dass die Flotte mit Ihnen als Befehlshaber keine Bedrohung mehr für Heim und Familie darstellt. Woher wussten Sie, wie die Leute denken? Woher wussten Sie, was Sie zu tun hatten?«
Denk dran, dass der Lieutenant, der Petty Officer, dass jeder Mann und jede Frau in dieser Flotte sein Leben lang nichts anders gekannt hat als den Krieg gegen die Syndiks. Denk dran, dass es ihren Eltern ganz genauso ergangen ist. Denk an die Grausamkeiten, die Vergeltungsschläge, die endlosen Provokationen und Racheakte. Denk dran, dass du das nicht durchmachen musstest und dass du kein Recht hast, sie zu verurteilen, nur weil sie anders darüber denken. »Was ich getan habe, tat ich, weil es das Richtige war. Mir wurde beigebracht, dass dies das Richtige ist. Es ist das, was unsere Vorfahren von uns verlangen, was unsere Ehre von uns verlangt. Ich weiß, was Sie durchstehen mussten und was die Allianz im Verlauf dieses Krieges erduldet hat. Unter solchem Druck kann man leicht vergessen, warum man eigentlich kämpft.«
Der Petty Officer nickte betreten. »So wie Sie es uns bei Corvus gesagt haben, Sir. So wie Sie uns das vor Augen geführt haben. Unsere Vorfahren mussten uns wissen lassen, dass wir den verkehrten Weg eingeschlagen hatten, und deshalb haben sie Sie zu uns geschickt, weil sie wussten, wir würden auf Sie hören.«
Na, großartig. Er konnte ihnen nicht mal sagen, was sie einmal gewesen waren, ohne gleich zum Gesandten der Vorfahren erklärt zu werden.
Aber in gewisser Weise war er das sogar geworden, indem er ihnen vermittelte, was er vor hundert Jahren von den Vorfahren gelernt hatte.
Und weil er selbst einer ihrer Vorfahren war. Er dachte nicht
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