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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ackermann
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ihrem Gefängnis entfleucht waren und als Sendboten des Weltunterganges die Herzen aller Gläubigen in Angst und Schrecken versetzten! Und ich habe letzte Nacht einen Traum gehabt, in dem ich einen linkshändigen Mann, einen Araber mit einem bösen Blick, sah. Erst hat er die Wellen des Tanasees mit der Macht des Bösen in einen ewigen Schlaf versetzt und sie dann mit seinem Hass aufgepeitscht. Ich weiß diesen Traum nicht zu deuten. Aber er peinigt mich, weil ich spüre, dass dieser Traum mit euch zu tun hat.«
    Peter schielte zu Seyoum. Auch dieser war sichtlich betroffen von den Worten des Mönches. Ein Linkshänder? Ein Araber? Hatte der Mönch von dem Araber geträumt, der ihm und Jahzara seit Venedig wie ein Schatten, wie ein böses Omen folgte? War der Mörder von Charles Linkshänder – so wie der berüchtigte Ahmed Granj, der die Christen Äthiopiens im Mittelalter von Ägypten aus verfolgt hatte? Vielleicht hatte der Alte seherische Fähigkeiten. Peter hatte in Afrika schon öfter von solchen übernatürlich anmutenden okkulten Phänomenen gehört. Anfänglich hatte er das belächelt, dann aber gelernt, dass in diesen Kulturen das Übernatürliche und Übersinnliche, Dämonen und Geister eine nicht zu unterschätzende Rolle spielten. In Afrika geschahen immer wieder Dinge, die die rationale Denkweise eines Europäers sprengten. Niemand zwischen Kairo und Kapstadt fragte danach, warum es geschah. Es geschah. Niemand zweifelt auf dem Schwarzen Kontinent an der Existenz übernatürlicher Kräfte. Dieser Mönch nicht und Jahzara mit Sicherheit auch nicht.
    Der Gottesmann starrte geistesabwesend auf das Buch. »Der Allmächtige hat uns nur einen Verstand so klein wie Früchte einer Doumpalme gegeben. Wie soll ich elendige Kreatur dann solch fantastischen Dinge verstehen? Erst dieser Traum. Und nun das, was in diesem Buch der Wunder geschrieben steht. Hier wird von Welten und Wesen erzählt, von denen ich noch nie gehört habe und von denen ich nicht weiß, ob es sie überhaupt gab oder gibt. Und all das soll mit jenem Johannes zu tun haben, dessen Legende euer Herz so laut schlagen lässt, dass selbst ich, der halb taub bin, es hört?«
    Peter glaubte zu erröten. Sein Herz schlug tatsächlich unglaublich schnell und laut. Doch das konnte der Mönch unmöglich hören. Die Finger des Greises tasteten über die in Ge’ez verfassten Zeilen. Peter beobachtete ihn. War der Alte blind? Ertastete er nur, was dort geschrieben stand?
    Mit monotoner Stimme sprach der Mönch weiter: »Aber was soll’s! Nicht ich suche die Wahrheit, von der ich bezweifle, dass sie den Menschen Frieden und Erlösung bringen wird. Nein, ihr sucht sie. Entscheidet ihr, was ihr glauben könnt, wollt oder glaubt, wissen zu müssen. Ich erzähle nur, was war. Also: Diese seltsamen Dinge begannen zu jener Zeit, da der ruhmreiche König Lalibela vom Allmächtigen den Auftrag bekam, in seiner Königsstadt ein zweites Jerusalem und einen Hügel zu bauen wie jener, auf dem Jesus laut den Evangelien gekreuzigt wurde und den die Juden Golgotha nennen. Das war in der Stadt Roha, die wir heute Lalibela nennen. Der Chronist des Buches der Wunder schreibt, dass König Lalibela sich für diese unvorstellbare Aufgabe der Hilfe von Ferendschis, also von Fremden, bediente, die aus dem fernen Jerusalem kamen. Es waren hellhäutige Hünen mit Brustkörben aus Metall und Hüten, die ihnen auf den Kopf geschmiedet worden waren. Einige von diesen Fremden hatten rote Haare. Sie alle trugen ein weißes Gewand mit einem Kreuz, wie es auch heute noch die Sarkophage bei den Kirchen von Lalibela ziert. Ein solches Kreuz ließ König Lalibela in die Innendecke einer dieser Kirche einarbeiten, auf dass ein jeder Gläubige, der zum Allmächtigen emporschaue, sehen könne, mit wessen Hilfe dieses Wunder aus Fels entstand. Zwölf prächtige Kirchen wurden dereinst in Lalibela dem Wunsche des Allmächtigen entsprechend gebaut. Eine jede ward aus einem einzigen purem Felsen herausgeschlagen.«
    Der Mönch hielt inne und blätterte in dem Buch. Peter wagte kaum zu atmen. Was er eben gehört hatte, schien die These von Templern, die nach Äthiopien gereist waren, zu bestätigen. Die Beschreibungen aus diesem Buch waren unmissverständlich: die eisernen Brustkörbe, die Teil der Rüstung waren; die weißen Gewänder mit dem roten Kreuz. War es dasselbe Kreuz, das hier im Kloster die Brust des Mannes auf der Wand zierte? Er harrte weiterer Einzelheiten.
    Der Alte schien

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