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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ackermann
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gesenkt, doch die Bodenwanne lag auf. Das rechte Vorderrad hat sich in den Sand eingegraben und das linke hing ohne Bodenhaftung in der Luft. Die Schräglage war zwar nicht bedrohlich, aber vor Sonnenaufgang, das hatte Peter völlig erschöpft im Schein der Taschenlampen erkennen müssen, war eine Rettung nicht möglich. Dafür musste der Sand unter dem Wagen weggeschaufelt und mussten Sandbleche untergelegt werden.
    Mehrmals hatten er und Jahzara in der Nacht nach dem Araber geschaut. Er lebte, bewegte seine Arme und stöhnte. Die Nacht würde verhindern, dass er verdurstete. Mit Sonnenaufgang, so hatten sie beschlossen, würden sie nochmals versuchen, den Wagen frei zu schaufeln und den Mann zu befreien.
    Mit den ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages riss Jahzaras Aufschrei Peter aus seinem Erschöpfungsschlaf. Völlig verkrampft von der Nacht auf den Vordersitzen, geplagt von Albträumen und aufgewühlt von glückseligen Gedanken an Yvonne, an ihre wundersame Rettung und den Wink des Schicksals, der ihnen GPS-Empfang hatte zukommen lassen, richtete sich Peter auf. Jahzaras Blick hatte nichts mehr von dem, was ihn gestern am Abend für kurze Zeit so glücklich hatte sein lassen. Der Glanz in ihren Augen war blankem Entsetzen gewichen.
    »Das Seil…«, schluchzte sie.
    Peter blickte dorthin, wo der Killer gegen Mitternacht noch gelegen hatte. Er war weg. Die Tasche, an der er sich festgekrallt hatte, war verschwunden. Nur das Seil war noch da.
    Ohne Spannung lag es zwischen Wagen und Sandloch. Der Mann war spurlos verschwunden. Gog und Magog hatten ihn in die Tiefe gezogen und das Loch zur Hölle sorgsam hinter sich und ihrem Opfer verschlossen. Nichts erinnerte mehr an ihn. Der Knoten, den er selbst vor seiner Brust geknüpft hatte, war geöffnet.
    Peter nahm Jahzara in den Arm und drückte ihren Kopf an seine Schulter. »Er hat den Knoten selbst gelöst! Ich bin mir sicher. Er hat gewusst, was auf ihn zukommen würde. Unsere Freude gestern Abend hat ihn erkennen lassen, dass er keine Chance mehr hatte.«
    Er drückte sie fest an sich. Sie atmete sehr flach. Sein Blick fiel auf die Salzebene. Aus dem wärmenden Sonnenlicht der ersten Stunde nach der kalten Nacht wurden erneut todbringende Strahlen. Die Salzschicht flimmerte wie Eiskristalle. Die vor wenigen Augenblicken noch so anheimelnd von Horizont zu Horizont dahinfließenden Dünen bekamen ein grelles Antlitz. Er kniff seine Augen zusammen, weil er glaubte, einen Fixpunkt in der Leere ausgemacht zu haben. Ja, da war etwas! Weit weg, am anderen Ende der sandigen Welt. Eine Fata Morgana? Eine Sinnestäuschung? Nein!
    Jahzara schaute ihn fragend an. Dann glitt auch ihr Blick suchend über den Salzsee. »Was ist das?«
    »Kamele! Menschen! Eine kleine Karawane!«
    Peter löste seine Umarmung und griff nach hinten auf die Rückbank. Wenige Augenblicke später hielt er eine zehn mal zehn Zentimeter große Aluminiumscheibe mit einem Schlitz in der Mitte und einer Schnur daran in der Hand.
    Gebannt verfolgte Jahzara seine Bewegungen. »Was ist das?«
    »Ein Heliograf! Die Griechen haben es schon im vierten Jahrhundert verwendet. Allerdings haben sie ihre Schilde verwendet, um bei Schlachten Informationen auszutauschen. Wenn du diese polierte Fläche in einen bestimmten Winkel zur Sonne und in Richtung dieser Menschen dort am Horizont hältst, kannst du mit dem Ding Reflexionen, also Lichtblitze, aussenden, die du selbst auf sehr große Entfernungen noch siehst. Wenn du gut bist, kannst du damit im Morsealphabet Nachrichten übermitteln. Das Ding hat mir schon mal das Leben gerettet. Ich habe es immer dabei in Afrika. Es ist meine SOS-Station im Taschenformat. Nutzt aber nur etwas, wenn die Sonne scheint – und andere es sehen. Die da zum Beispiel.« Peter stieg aus, kletterte auf das Dach des Wagens, richtete die Aluminiumscheibe nach der Sonne aus und sandte mehrmals drei kurze, drei lange und dann wieder drei kurze Lichtsignale in Richtung der weit entfernten Karawane. Beide starrten auf die schwarzen Punkte, die im Flimmern der Mittagshitze über der Erde ostwärts zu schweben schienen. Es waren sechs Kamele mit Reitern.
    »Siehst du auch, was ich sehe?« Jahzara hielt schützend ihre Hand über die Augen, während sie sprach und angestrengt auf die vielleicht fünf Kilometer entfernte Karawane starrte. »Siehst du den Mann auf dem dritten Kamel?«
    Schon einmal hatte Peter die ungewöhnlich guten Augen von Jahzara bewundert. Sie hatte Augen wie ein Adler. Nun

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