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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ackermann
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nehmen, die sie immer weiter von dem gewählten Korridor wegführte. Zurück konnten sie nicht, ohne Gefahr zu laufen, abermals auf das Minenfeld zu stoßen. Was wäre, wenn? Er hatte also keine andere Wahl, als weiterzufahren. Nur eine vage Hoffnung hielt ihn davon ab, trübsinnig zu werden. Wenn sie die Karawane finden würden, könnte sich daraus eine andere Situation ergeben. Eine, die Yvonne das Leben retten würde.
    Peter hoffte nur, dass er diese extreme Anspannung, die schlaflosen Nächte und die körperlichen Strapazen weiterhin aushalten würde. Auch er befand sich längst im Grenzbereich seiner mentalen und physischen Leistungsfähigkeiten. Die Dinge standen nicht gut. Im zweiten Fahrzeug hatten sich neben Nahrungsmittel auch mehrere Kanister mit Wasser befunden. Ihre eigenen Vorräte würden für knapp acht Tage reichen – wenn nichts Unvorhergesehenes geschah. Als erfahrener Wüstenfahrer hielt er sich jedoch an die Regel, stets Reservevorräte an Wasser und Treibstoff zu hüten. Niemand wusste, was passierte. Entsprechend trank er – statt der für seinen Körper notwendigen sechs bis acht Liter Wasser am Tag – nur die Hälfte. Jahzara würde in ihrem Zustand viel Wasser brauchen. Auch für ihre Hygiene. Ihre Regelblutungen waren sehr stark. Sie verlor viel Flüssigkeit. Sorge bereitete ihm auch die Großwetterlage. Die Sonne war nicht zu sehen. Vieles sprach dafür, dass der Wüstensturm noch immer über den nahegelegenen Regionen hinwegfegte. Diese Stürme schwenkten manchmal in nur wenigen Minuten um. Solange die Sonne nur als milchig trübe Scheibe am Himmel zu sehen war, bestand die Gefahr, dass abermals ein Sandsturm aufkommen würde. Ihre Lage war äußerst kritisch.
     
    Am nächsten Morgen jedoch zeigte sich die Sahara von einer wundersamen Schönheit. Sanftes Morgenlicht tauchte die Sanddünenfelder in alle nur denkbaren Pastellfarbtöne. Der Himmel war stahlblau, und die Sonne stand am Horizont in einer Röte und Klarheit, wie Peter sie nur von Tagen nach Stürmen kannte. Die Nacht war fast entspannt verlaufen. Den Araber hatten sie am Heck des Wagens festgebunden. Er hatte sich sehr kooperativ zu verhalten. Aber Peter hatte ihm nicht getraut. Jahzara hatte auf der Rückbank tief und fest und auffallend ruhig geschlafen. Er selbst hatte es vorgezogen, sein Lager auf einer Schaumstoffmatratze auf dem Dachgepäckträger herzurichten. Er liebte das. Kein Getier störte ihn dort oben, wenn er auf dem Rücken liegend das zum Greifen nahe Firmament bewunderte, Sternschnuppen auf ihrer tödlichen, aber schönen Flugbahn gen Erde verfolgte und seine Gedanken treiben lassen konnte. Diese Nächte in der Wüste hatten seine Liebe zur Sahara entfacht. Die klaren Nächte, die frühen Morgenstunden und das späte Nachmittagslicht waren die Entschädigung für brütend heiße, staubige und anstrengende Tage. Dass sie einen solchen Tag vor sich haben würden, schwante ihm bereits eine Stunde nach Abbruch des Lagers. Vor ihnen tat sich ein bis zum Horizont reichendes Meer grau-gelber Sanddünen auf. In der Mitte schimmerte eine weiße Fläche. Salz – ein ausgetrockneter See! Vor zehntausenden von Jahren mochte hier ein wunderschöner See inmitten üppiger Tropenwälder existiert haben. Nun reflektierten die Salzkristalle das gleißende Sonnenlicht und ließen erahnen, dass sich dort in der Mittagssonne ein tödlicher Glutofen entwickeln würde. Es war absolut windstill. Die Temperaturen im Schatten bewegten sich schon am Vormittag auf die 50-Grad-Celsius-Marke zu. Alles was darüber lag, er wusste das, hemmte die Sauerstoffzufuhr und ließ das Blut in den Adern brodeln und gerinnen und den Menschen in einen Zustand des trübseligen Wahns verfallen. Solche Salzebenen hatte er im Süden Tunesiens erlebt. Sie waren wunderschön. Doch es war der weiße Tod. Wer dort nicht aufpasste, wurde von der Sonne ausgedörrt – oder versank in der brüchigen Salzschicht, unter der sich stinkendes, brackiges Wasser verbarg, in dem schon viele für immer und ewig verschwunden waren. Plötzlich ahnte er, wo sie waren, wagte aber nicht, es laut auszusprechen. Das grelle Sonnenlicht zwang ihn, die Augen zusammenzukneifen, als er Jahzara anschaute. Sie hatte fiebrige Augen, überlagert von Schatten der Hoffnungslosigkeit. Ihre kaum hörbare Stimme zitterte, als sie sprach: »Das muss es sein. Das Land der Leere! So sieht der Tod aus. Irgendwo hier draußen liegt sie – die Prinzessin Sahel.«

18.
     
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