Die verschollene Karawane
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufgebrochen war.
Jahzaras Worte rissen ihn aus seiner Nachdenklichkeit. »Sag ganz ehrlich, Peter, was hältst du von alldem?«
Er überlegte. Jahzara wusste noch nicht, dass die Karawane am Tanasee aufgebrochen war. Sie wusste überhaupt nichts von der verschollenen Karawane. Sollte er ihr die Wahrheit sagen? Er entschloss sich, das später zu tun.
»Weißt du, Jahzara, ich bin Geograf, Wissenschaftler. Ich habe gelernt, mich mit Fakten auseinanderzusetzen. Um diese Bundeslade ranken sich so viele Legenden und abenteuerliche Geschichten, dass ich mich an dieses Thema nicht wirklich herantraue. Mit der Bundeslade ist es wie mit dem Heiligen Gral. Keiner weiß mehr, was Wahrheit und was Dichtung ist. Wir bewegen uns hier in einem Bereich, in dem sich Scharen so genannter Grenzwissenschaftler tummeln. Zwar habe ich in Afrika gelernt, dass alle Mythen und Legenden Wahrheiten in sich bergen. Doch zum jetzigen Stand der Dinge halte ich Skepsis für sehr angebracht. Weder wissen wir, wer dieses ominöse Buch geschrieben und diese Karte angefertigt hat. Noch wissen wir genau, was in diesem Sion- Dossier aufgezeichnet ist. Und schon gar nicht, ob es auch stimmt. Das müssen wir prüfen. Dafür brauchen wir allerdings Kopien von allen Schriftstücken. Schau doch mal, ob da vielleicht ein Exemplar der Karte enthalten ist, die wir beide besitzen.«
Jahzara wühlte in dem Karton. Immer wieder hielt sie inne, überflog die teils in Lateinisch, teils in Portugiesisch und Spanisch verfassten Dokumente. Ihre Mimik zeigte deutlich, dass sie wieder und wieder Erstaunliches entdeckte.
»Nein, Karten kann ich in dem Karton nicht finden.« Plötzlich richtete sie sich auf. Ihre Augen überflogen ein mit einem roten Wachssiegel versehenes Dokument in lateinischer Sprache. Offensichtlich konnte sie nicht alles entziffern, was dort geschrieben stand. Sie atmete schnell. Ohne ihn anzuschauen, las sie mit zittriger Stimme vor: »Abtrünnige vom wahren christlichen Glauben… Mysterium der Christenheit… Christentum erschüttern… erlauben sich Seine Exzellenz… in weiser Einschätzung… mit dem Heiligen Vater… und König João… von Portugal die Vermählung des Wohlgeborenen Dom Duarte de Sei… seiq… mit Prinzessin Sahel… leibliche… der Kaiserin Eleni… dem Wunsche des Heiligen Vaters… und… anzustreben…«
Jahzara verstummte. Sie hatte Tränen in den Augen und zitterte am ganzen Leib. »Charles hat es gewusst! Dieses Sion- Dossier ist eine Sensation, Peter. Was hier geschrieben steht, ist unglaublich.«
Peter war sich im Klaren darüber, dass sich gerade, im wahrsten Sinne des Wortes, Unglaubliches abzeichnete. Er ahnte, dass Jahzara, als Religionswissenschaftlerin und als Äthiopierin, in diesen Dokumenten ganze andere Dimensionen erkannte, als er das tat. Er legte seinen Arm um ihre Schulter.
»Wir sollten Vernunft walten lassen, Jahzara. Was wir brauchen, sind Kopien dieser Dokumente. Dann müssen wir sie auswerten. Sehr vorsichtig, ohne ein Wort darüber zu verlieren, denn was dort geschrieben steht, ist auch für andere Leute von größtem Interesse. Warum sich ausgerechnet Araber dafür interessieren, weiß ich noch nicht. Aber das sind skrupellose Leute. Die scheuen vor nichts zurück. Also müssen wir extrem vorsichtig sein.«
Er kramte in seiner Tasche und zog eine Digitalkamera hervor.
Jahzara schaute ihn entsetzt an. Sie wollte etwas sagen, aber er unterbrach sie: »Ich weiß, was du sagen willst. Doch ich möchte nur einige wenige dieser Dokumente ablichten. Dieses da, zum Beispiel, das du eben vorgelesen hast. Dann werden wir deine Mutter fragen, ob sie uns von dem kompletten Dossier Kopien anfertigen lassen kann. Ich verspreche dir, dass wir diese Aufnahmen nie veröffentlichen werden. Wir benutzen sie nur als Rechercheansatz, einverstanden? Nur wir beide wissen davon. Es ist unser erstes gemeinsames Geheimnis.«
Wenige Minuten später kam Pauline zurück. Peter hatte zwischenzeitlich etwa 20 Dokumente fotografiert. Jahzaras Mutter war von dem Gedanken, das komplette Dossier zu kopieren, nicht sonderlich angetan.
»Ihr beide seid vielleicht lustig. Wer weiß, was da für Staatsgeheimnisse drinstehen! Vielleicht werde ich vom Heiligen Vater in Rom persönlich in die Hölle entsandt, wenn ich euch helfe. Ewige Verdammnis! Was für eine grausige Vorstellung. Obwohl, da unten in der Hölle treffe ich wahrscheinlich eine Menge guter alter Freunde. Hm, also gut,
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