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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ackermann
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Zebrastreifen vorwärtsgegangen, als sie das Geräusch hörte. Sie konnte nicht ausmachen, woher es kam. Doch es war da. Ganz plötzlich. Der Lärm der Hauptverkehrsstraße dämpfte das Geräusch. Links von ihr standen viele Autos in Schlange vor dem Zebrastreifen. Sie starrte suchend in die Autos hinein. Alles harmlose Menschen. Nur das Geräusch war noch da und wurde immer lauter. Dann sah sie es. Geschockt erstarrte sie mitten auf dem Zebrastreifen. Ein Motorrad mit zwei Männern raste zwischen den wartenden Autoschlangen hindurch auf den Zebrastreifen zu. Jahzara sah das schwarze Helmvisier des Fahrers, sah den ausgestreckten, muskulösen Arm des Soziusfahrers. Sie wusste, was diese Männer wollten. Ihr Verstand riet ihr, wegzulaufen. Aber ihre Beine reagierten nicht. Dann war das Aufheulen des Motors neben und über ihr. Die Wucht des Zusammenpralls mit dem Vorderrad warf sie zu Boden. Sie schrie auf. Ihre Hüfte schmerzte. Der Sozius wirkte plötzlich wie ein Monster, als er neben ihr stand. Der behaarte Arm griff nach ihrer Handtasche und riss sie brutal an sich. Die Lederriemchen der Tasche rissen. Ihre Bluse wurde zerfetzt. Ihre Haare fielen ihr ins Gesicht, und sie konnte nur noch hören, wie das Motorrad mit aufheulendem Motor davonraste.
     
    Heftiger Regen prasselte gegen die Panoramascheiben und übertönte die Musik. Die melancholischen Fado-Lieder passten zum Wetter. Lissabon lag unter einer dichten Nebeldecke. Die Scheinwerfer der Kirchen unten im Tal sahen im Zwielicht der Abenddämmerung wie gigantische Augen grässlicher Monster aus. Jahzara lag auf ihrem Bett und starrte aus dem Fenster. Sie tat das schon seit einer halben Stunde, ohne ein Wort zu sagen.
    Peter konnte nur ahnen, welche Gedanken und Ängste sie plagten. Er wusste nicht, wie er ein Gespräch einleiten sollte. Die letzten Tage war sie kaum zugänglich gewesen. Wann immer sie sich getroffen hatten, war ihr. anzusehen, dass sie kurz davor war, zu weinen. Ihr Elan war einer Furcht erregenden Lethargie gewichen. Sie redete wie in Trance. Die Situation hatte ihn veranlasst, seinen Rückflug nach Deutschland zu stornieren. Er fühlte sich verpflichtet, Jahzara beizustehen. Er sah es als Vertrauensbeweis an, dass sie ihn schließlich gebeten hatte, in ihre Wohnung zu kommen. Aber auch als Ausdruck ihrer nicht zu übersehenden depressiven Stimmung. Sie hatte Angst. Panische Angst. Wie gerne hätte er sie in diesem Moment in den Arm genommen, sie getröstet, gestreichelt und seine Gefühle vermittelt. Doch er traute sich nicht. Es schien, als hätten die Ereignisse einen Keil zwischen sie getrieben.
    Plötzlich klingelte das Telefon. Jahzara ließ das Handy lange klingeln, bevor sie sich widerwillig über das Bett rollte und danach griff. Der Tonfall dokumentierte ihre Stimmung: »Ja?«
    Peter konnte eine Frauenstimme aus dem Handy hören. Es war offenbar Pauline. Jahzara bekam glänzende Augen. Plötzlich huschte ein unübersehbarer Anflug von Trotz über ihr Gesicht. In ihren Augen zeigte sich ein abrupter Stimmungswandel.
    Jahzara klang auf einmal sehr bestimmt: »Das ist sehr beunruhigend! Und erstaunlich. Hast du eine Ahnung, woher diese Anweisung kommt? Schade! Nein, nein, daran ist nichts zu rütteln. Ich werde fliegen. Niemand wird mich abhalten. Die Äthiopier haben ein Recht darauf, von diesen Dingen zu erfahren. Mach dir keine Sorgen. Peter ist bei mir. Ich werde ihn fragen, ob er mitkommt. Bis dann.«
    Peter mochte seinen Ohren nicht trauen. Jahzara war wie ausgewechselt. Was immer es auch gewesen war, was ihre Mutter gesagt hatte, es hatte sie endlich aus ihrer Lethargie gerissen. Und noch etwas war geschehen. Sie hatte, vielleicht ohne dabei an seine Gegenwart zu denken, erkennen lassen, dass sie sich sehr wohl, sicher und geborgen in seiner Gesellschaft fühlte. Peter spürte, wie diese Erkenntnis seinen Endorphinspiegel hochschnellen ließ.
    Jahzara schaute ihn trotzig an. Ihre Stimme klang selbstbewusst: »Das war Pauline. Unglaublich! Der Leiter der Bibliothek hat vom Kultusministerium die Anweisung bekommen, das Sion -Dossier wie eine Verschlusssache zu klassifizieren und von nun an im Tresor des Archivs zu verwahren. Ein Zugriff darauf erfolgt nur noch mit persönlicher und schriftlicher Genehmigung des zuständigen Staatssekretärs.«
    Peter riss erstaunt die Augen auf. »Was? Wie kommt das denn zu Stande? Hat man bemerkt, dass wir es in den Fingern hatten?«
    »Nein, dass glaubt sie nicht. Weder sie noch wir haben

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