Die verschollene Karawane
dass er die zumeist in Portugiesisch verfassten Briefe aus dem Sion- Dossier nicht wirklich lesen konnte. Wieder einmal, schoss es ihm durch den Kopf, bin ich auf sie angewiesen. Er machte sich vermehrt Gedanken, ob Jahzara ihm wirklich alles erzählte. Da er sich seit ihrer Ankunft vornehmlich mit seinen eigenen Nachforschungen beschäftigte, waren sie am Morgen übereingekommen, sich zu einem Resümee zusammenzusetzen. Ein mulmiges Gefühl überkam ihn, denn sie beide würden gezwungen sein, ihr Wissen auf den Tisch zu legen. Die Stunde der Wahrheit war gekommen. Er zauderte allerdings immer noch, ob er Jahzara von der legendären verschollenen Karawane mit dem Schatz erzählen sollte.
Es konnte sein, dass sie im Sion- Dossier längst Hinweise darauf entdeckt hatte. Die Frage war, ob sie es ihm sagen würde. Würde sie ihm die Wahrheit von der Prinzessin Sahel, der Kaiserin Eleni und von dem portugiesischen Edelmann, der gen Äthiopien gereist war, um durch die Heirat mit Prinzessin Sahel eine heilige christliche Allianz zwischen Portugal und dem Reich des Priesterkönigs Johannes zu besiegeln, erzählen? Das Thema mit der Bundeslade stand ebenso an wie dieser Priesterkönig Johannes. Für ihn war noch immer völlig offen, ob der unbekannte Autor vielleicht nur ein Fantast gewesen war. Nur Jahzara wusste dazu mehr.
Peter räusperte sich, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. In ihren Augen zeichnete sich Nachdenklichkeit ab.
»Jahzara, du wirkst sehr bedrückt! Gibt es etwas, worüber wir reden sollten, bevor wir uns mit den Unterlagen beschäftigen?«
Sie wich seinem Blick aus und schaute über die Sierra: »Ich kann damit nicht umgehen!«
»Womit?«
»Mit dem, was seit dem Tag in der Damentoilette zwischen uns ist.«
»Was meinst du genau?«
»Ich muss dauernd daran denken, wie du meinen Kopf genommen und an deine Brust gepresst hat. Das war wunderschön! Es tut mir gut, von dir in die Arme genommen zu werden.«
Peter war sprachlos. Damit hatte er nicht gerechnet. Jahzara hatte all das so ruhig, fast sachlich und doch aus tiefstem Inneren gesagt, dass er am liebsten sofort zu ihr gegangen wäre, um sie zu umarmen und zu küssen. Doch eine innere Stimme mahnte ihn, dass sie das nicht wirklich wollte, dass ihren Worten noch ein unangenehmer Nachsatz folgen würde. Sie schaute ihn weiterhin nicht an.
»Peter, mein Leben ist seit geraumer Zeit das reinste Chaos! Mein Kopf droht zu zerplatzen. Der Mord an Charles, dem anderen Mönch, der Araber in meiner Wohnung, der Überfall mit dem Motorrad – und dann auch noch du! Ich schaffe das nicht. Ich bin mit den Nerven am Ende. Hinzu kommt, dass mir das Sion -Dossier Angst macht. Ich habe so was noch nie gelesen. Da geht es um Geheimdiplomatie. Mit Mord und Totschlag! Auch wenn diese wenigen Seiten nur eine grobe Einschätzung zulassen, scheint sich zu bestätigen, dass es damals um eine Verschwörung zwischen dem Papst und Spanien gegen Portugal – und gegen die Christen in Äthiopien ging. Das ist Sprengstoff! Aber dazu später mehr. Was mir am meisten zu schaffen macht, bist du. Ich gerate ins Trudeln. Wir können diese brisante Angelegenheit nicht angehen, wenn wir unser Verhältnis nicht geklärt haben.«
Abermals erkannte Peter, dass sich hinter der manchmal so feinfühligen, romantischen und vermeintlich schwachen Fassade von Jahzara noch eine andere Wesensart verbarg. Sie konnte erschreckend rational sein, ihre Gefühle steuern, unterdrücken – Prioritäten setzen. Warum sie das tat, wusste er nicht. Aber er spürte, dass er seine wahren Empfindungen und Hoffnungen für sie im Moment besser verschweigen sollte. Es erschien ihm taktisch klüger, sie erst mal zu beruhigen, ihre Ängste zu zerstreuen und Vertrauen aufzubauen. Ohne Jahzara würde er nicht weiterkommen. Sie konnte Portugiesisch, hatte gute Kontakte in Äthiopien und kannte sich sowohl mit der Kirchengeschichte des Abendlandes wie auch mit der ihrer Heimat aus. Natürlich hatte er ein grenzenloses Verlangen nach ihr. Ihr Körper reizte ihn. Ihre Seele auch. Und doch erschien es ihm in Anbetracht ihrer Worte sinnvoller, dieses Verlangen nicht zu deutlich werden zu lassen.
»Ich weiß, was du meinst. Zwischen uns knistert es manchmal kräftig. Aber was mich betrifft, Jahzara, kann ich nur um ein wenig Verständnis und Nachsicht bitten. Du bist eine sehr attraktive Frau, bist klug, gebildet, lieb und sehr feinfühlig. Jeder Mann würde gerne mit dir ins Bett gehen, mit dir zusammen sein. Nicht
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