Die verschollene Karawane
gleiche Intention hatte wohl auch Charles, als er uns diese Sachen zukommen ließ. Ist schon irre: Der Christusorden als machtgierige Speerspitze Roms – und als Nachfolgeorganisation der Templer! Die angeblich ja auch die Bundeslade nach Rom gebracht haben sollen – «
Jahzara unterbrach ihn abrupt. Sie fuhr sich mit beiden Händen durch ihre Haare und wirkte auffällig ernst. »Lass uns dieses heikle Thema mal außen vor lassen! Das sind Vermutungen, sehr vage Vermutungen.«
»Aber du hast mir selbst gesagt, dass in eurer Nationalchronik geschrieben steht, dass die Bundeslade von Jerusalem nach Aksum gebracht worden sei. Liegt da nicht die Vermutung nahe, dass Templer oder ihre Nachfolger die Lade von Aksum nach Rom brachten? Vielleicht mit der Karawane?«
Jahzara reagierte verstimmt. »Komm, Peter, lass uns bei den Fakten bleiben, ja? Mit solchen Thesen werden wir uns später noch herumschlagen müssen.«
Zu gerne hätte Peter die Gelegenheit genutzt, um herauszufinden, was Jahzara zu diesem Thema noch wusste. Ihre Gereiztheit ließ ihn argwöhnen, dass sie sich mit der Bundeslade intensiver beschäftigte, als sie zugab. Er täuschte Verständnis vor und übernahm das Wort.
»Die Portugiesen entschieden also, die Suche nach dem Priesterkönig Johannes als Suche nach dem Seeweg nach Indien – um Afrika herum – zu kaschieren. Die haben den Rest der Welt an der Nase herumgeführt.«
Jahzara nickte nachdenklich und ergänzte: »Wäre die Karawane nach Europa gelangt, wäre der geniale Plan mit der Heirat von Prinzessin Sahel aufgegangen. Das hätte die Machtverhältnisse der Welt auf den Kopf gestellt.«
»Aber sie kam nie in Europa an! Warum, das wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass wenige Jahre später die einst so bedeutsamen Reiche von Aksum und Lalibela in der Bedeutungslosigkeit versanken – was dem Papst sicherlich gefallen hat.«
Jahzaras Augen sprühten vor Aufregung. »Hört sich richtig gut an, unsere Theorie! Historisch gesicherte Fakten scheinen das zu bestätigen. Zum Beispiel tauchte im Jahre 1515 am Königshof zu Lissabon ein gewisser Matthäus auf, seines Zeichens Botschafter des Priesterkönigs Johannes aus Äthiopien! Er überbrachte im Namen der Kaiserin Eleni einen Brief, in dem die Äthiopier Interesse an einer Allianz mit Portugal und an einem heiligen Krieg gegen die Ungläubigen signalisierten.« Jahzara wühlte in ihren Dokumenten. »Hier ist es. ›Wir werden euch Berge von Esswaren und Männer wie Sand am Meer zur Verfügung stellen‹, schrieb Kaiserin Eleni. Umgehend schickte König Emanuel I. von Portugal diesen Matthäus zusammen mit portugiesischen Gesandten retour nach Äthiopien. Matthäus ging allerdings verschollen. Erst sechs Jahre später erreichte Francisco Álvares zusammen mit Dom Rodrigo de Lima den äthiopischen Hafen Massaua und traf Kaiserin Eleni. Laut Sion -Dossier war noch jemand mit, nämlich der portugiesische Aristokrat Dom Duarte de Sequeira – der zukünftige Ehemann der äthiopischen Prinzessin Sahel – meiner Vorfahrin! Wäre sie jemals in Portugal angekommen, hätte sie das Adelsverzeichnis Portugals um einen wunderschönen Namen bereichert: Donna Sahel de Sequeira.«
Peter war gerührt. Er sah Jahzaras glänzende Augen und begann zu ahnen, wie sehr diese herzergreifende Geschichte sie aufwühlte. Er atmete tief durch: »Historiker sagen, portugiesische Musketenschützen hätten die Kaiserin Eleni – und wahrscheinlich auch Prinzessin Sahel und ihren zukünftigen Gemahl – eine Zeit lang auf einer Bergfestung bewacht. Portugiesische Soldaten hüteten, so gesehen, die Zukunft Äthiopiens und Portugals! Aber das Schicksal hat es mit den beiden wohl nicht besonders gut gemeint. Dramatische Dinge geschahen. Offensichtlich wurden Prinzessin Sahel und ihr portugiesischer Ehemann durch die See- und Landblockade der Moslems viele Jahre lang an ihrer Reise nach Lissabon gehindert. Sie waren umzingelt, saßen in Äthiopien fest. Sage und schreibe erst 13 Jahre später erhält Papst Clemens VII. aus Äthiopien ein Hilfeersuchen, worin dringlichst um Beistand gegen die islamischen Heere gebeten wurde. So, und nun kommt das Entscheidende! Nach diesem Hilferuf an den Papst geschah nichts! Absolut nichts! Keine Truppen, keine Unterstützung – nichts. Der Papst schwieg. Das Christenreich Äthiopien starb. Zwischen 1531 und 1543 zerstörte der Imam Ahmed Granj – genannt der Linkshänder – weite Teile Äthiopiens. Christen wurden zu abertausenden
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