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Die verschollene Symphonie

Die verschollene Symphonie

Titel: Die verschollene Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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errötete leicht und schaute sich ängstlich um. Dann sank er schließlich froh und erleichtert in seinen Stuhl zurück. »Ich habe beinahe erwartet, von einem Blitz getroffen zu werden.«
    »Der Blitz ist die Strafe für Blasphemie.«
    »Da gibt es keinen Unterschied«, sagte Maddox.
     

     
    »Diese Beschützerin, von der er gesprochen hat – kennt er ihren Namen? Ihren geheimen Namen?«, fragte Doktor Syntax, während er Marisas Bericht durchsah.
    Die Ärztin dachte einen Augenblick nach. »Ich glaube schon. Sein Berater ›Stiefelchen‹ hat ihm gesagt, sie könne ihm nur dann helfen, wenn er ihren wahren Namen ruft – den sonst niemand kennt. Ohne dieses Wissen kann er also auch nicht auf ihre Hilfe hoffen.«
    »Das stimmt so nicht ganz«, sagte Doktor Syntax. »Verschiedene Geschichten in seinen Akten – seine urbanen Mythen – weisen Übereinstimmungen mit Legenden aus elf anderen Städten aus aller Welt auf.«
    »Und? Diese Legenden werden einfach von Generation zu Generation weiterverbreitet.«
    »Zu diesem Schluss wäre ich auch gelangt«, sagte Doktor Syntax. »Allerdings stammten die Geschichten aus Phönix, London, Rio De Janeiro und anderen Städten von Waisenkindern.«
    »Wieder Stiefelchen?«
    »Vielleicht – oder Maddox selbst, wenn er tatsächlich so weit gereist ist, wie er behauptet. Die Kinder, die diese Geschichten erzählen, sind einander sicher niemals begegnet. Und das bedeutet, dass diese Geschichte über eine Schutzgöttin, die erscheint, wenn man ihren geheimen Namen ruft, keineswegs neu ist, sondern sehr sehr alt.«
    »Mittelalterlichen Ursprungs?«
    »Ich glaube, dass sie in einem noch früheren Zeitalter entstanden sein könnte. Betrachten wir die Wurzeln anderer Teile seiner Geschichten – die altnordischen Mythen –, dann können wir eine Beziehung zu den Legenden über die Nornen herstellen.«
    »Die Frauen, die die Zukunft vorhersagen konnten?«
    »Und die Vergangenheit«, fügte Doktor Syntax geheimnisvoll hinzu. »Ein Geheimbund von Frauen, deren Worte ganze Weltreiche aufsteigen lassen und zu Fall bringen konnten.«
    Sie nickte. »Das könnte zu dem passen, was er mir über diese Göttin erzählt hat – wie immer auch ihr Name ist.«
    »Hat er jemals ihren Namen erwähnt?«
    »Nein.«
    Doktor Syntax blätterte in der dicken, pflaumenfarbenen Akte. »Anfangs ließen wir ihn durch eine Krankenschwester beobachten, mit Hilfe eines Spiegels, der von einer Seite durchsichtig war. Kurz darauf bekam Maddox einen Panikanfall, den er für eine Art Angriff dämonischer Kräfte hielt, und um sich zu schützen, hat er einen Namen gerufen.«
    »Was hat er gesagt? Wie lautet der Name?«
    »Idun«, sagte Doktor Syntax, und in seiner Stimme schwang aufrichtiger Respekt und vielleicht ein wenig Furcht mit. »Ihr Name ist Idun.«

 
KAPITEL VIER
Die Wende
     
    Die wissenschaftliche Arbeit eines Psychologen beginnt mit dem Lösen von Rätseln. Das Wo, Was, Wann und Wie sind meist Tatsachen, die sich leicht herausfinden lassen oder von weniger qualifizierten Mitarbeitern ermittelt werden können. Das Warum ist die Frage, bei der der Psychologe die Fäden in die Hand nimmt und sie zu einem aussagekräftigen Ganzen zu weben versucht.
    Leider schienen die Fäden, über die Doktor Kapelson verfügte, zu verschiedenartig zu sein, um sich jemals zu irgendetwas verbinden zu wollen. Sie glaubte, dass sie im Laufe der Zeit ein Muster entdecken würde. Bestenfalls könnte sie dann die Umrisse eines der Puzzleteile ausmachen, die sich schließlich zu einem mosaikartigen Ganzen zusammenfügen würden. Und mit jedem Tag wuchs ihre Gewissheit, dass es mit der Lösung eines einzelnen Rätsels nicht getan sein würde.
    Doktor Syntax war seinem Vorsatz treu geblieben und hatte über den Zustand Mikaal Gunnar-Galens kein Wort mehr verloren. Auch die Ur-Edda hatte er Marisa nicht zum Lesen gegeben. Die mythologischen Bezüge, die er in Maddox’ Fall entdeckt hatte, übten keinen sichtbaren Einfluss auf seine Arbeitsweise aus. Sie vermutete allerdings, dass sie in seinen Überlegungen eine viel größere Rolle spielten, als er ihr gegenüber zugeben wollte.
    Bislang hatte sie zwischen den Patienten im Nordturm keine Gemeinsamkeiten feststellen können – abgesehen von den spärlichen Bezügen zu altnordischer Mythologie. Aber wenn dies nun die Verbindung war? Galen war unter merkwürdigen Umständen in Doktor Syntax’ Obhut gelangt, und die einzige Gemeinsamkeit mit den anderen Patienten waren diese

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