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Die verschollene Symphonie

Die verschollene Symphonie

Titel: Die verschollene Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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Wahnvorstellung eine neue Möglichkeit gefunden hatten, über ihre Meinungsverschiedenheiten zu streiten.
    Die Geister atlantischer Magier zu beschwören, war ein weit verbreiteter Trick unter Spiritisten und Jahrmarktswahrsagern, um dem weniger intelligenten Teil der Bevölkerung das Geld aus den Taschen zu ziehen. Besessenheit vorzutäuschen, um über die feinen Unterschiede zwischen Mormonentum und Luthertum diskutieren zu können, war bei weitem origineller, wenn auch weniger profitabel.
    Selbst die Spitznamen, die man den dreien gegeben hatte und die sie bereitwillig akzeptierten, zeugten von einer gewissen Originalität und grundlegenden Sympathie. Bei Monty, dem Namen des Sozialwissenschaftlers, der dem Mormonentum zugeneigt war, handelte es sich um eine gekürzte und abgewandelte Variante eines Namens aus dem Buch Mormon – Mahonrimoriankimer, oder der Bruder Jareds, wie er häufig genannt wurde. Der Name Peter für einen Katholiken war weniger genial und weitaus offensichtlicher. Und der dritte Professor, der Leiter des Instituts für Protestantische Theologie, handelte sich den Spitznamen Lex ein, als er sich zur lutherischen Konfession bekannte. Hinzu kam, dass er so kahl war wie ein Kürbis.
    In den Berichten vieler Monate hatte Doktor Kapelson keinen einzigen Hinweis auf einen Konflikt zwischen den dreien gefunden, der über kleinere Handgreiflichkeiten hinausgegangen wäre. In den vergangenen drei Tagen war es jedoch zu einer ganzen Reihe von Faustkämpfen gekommen, von denen einer sogar in eine ausgewachsene Schlägerei auszuarten drohte. Das war ein deutlicher Verhaltenswandel, und sie fragte sich, ob hier ein Zusammenhang zu den zahlreichen Bemerkungen über Totenmagie bestand, insbesondere jene, die die Opferung einer Jungfrau erforderte.
    Eines kam ihr beim Lesen der Akten außerdem in den Sinn, das sie ohne gewisse persönliche Erfahrungen vielleicht niemals in Erwägung gezogen hätte: die Möglichkeit, dass die drei die Wahrheit sagten.
    Wenn sie nun nicht bloß phantasierende Theologie-Professoren waren, die glaubten, von längst verstorbenen atlantischen Magiern besessen zu sein, sondern tatsächlich Magier, die von drei normalen Menschen Besitz ergriffen hatten?
    Ursprünglich hatte sie sich die Krankengeschichten der drei vorgenommen, um nach Anhaltspunkten darüber zu suchen, wie es zu der plötzlichen kollektiven Wahnvorstellung gekommen war. Wenn sie an diesem Nachmittag auch etwas unorthodoxe Möglichkeiten in Erwägung zog, dann nur um nicht selbst den Verstand zu verlieren.
    An diesem Tag war das Gespräch auf Wunsch der Professoren verschoben worden, da sie den Rest des Tages mit Schreiben zubringen wollten. Sie hatten ihre Bitte so freundlich und höflich vorgetragen, dass die Ärztin zugestimmt hatte. Sie hoffte, dass sich entweder eine Verbesserung ihres Zustandes andeutete oder zumindest eine neue interessante Wende eintrat.
    Das war ein Fehler gewesen. Erst zwei Stunden später fiel ihr ein, dass die drei über keinerlei Schreibmaterial verfügten, denn dieses wurde aus Sicherheitsgründen von den Patienten fern gehalten.
    In Begleitung von zwei mit Elektroschockern und Reizgas bewaffneten Pflegern eilte sie zum Zimmer des Trios, die sich durch ihre Ankunft jedoch nicht bei ihrer Arbeit stören ließen.
    Ein jeder von ihnen kritzelte eifrig an einer Wand des Raumes. Sie benutzten ihre Finger als Schreibgerät und jegliches Material, das ihnen als Tinte dienen konnte. Dazu schien ihnen, den Spuren an den Wänden nach zu urteilen, nicht nur Urin und Kot geeignet, sondern auch Sperma und Blut.
    Merkwürdigerweise handelte es sich dabei offenbar nicht um ihr eigenes Blut, denn keiner der drei wies einen Kratzer oder irgendeine Wunde auf. Dennoch waren die Wände mit einer solchen Menge an Blut bedeckt, dass es unmöglich von einem einzelnen Menschen stammen konnte.
    Die nackten Männer leisteten keinen Widerstand, als die Pfleger sie an ihre Betten fesselten und an der Tür Stellung bezogen, noch immer mit den Elektroschockern bewaffnet. Doktor Kapelson versuchte zwanzig Minuten lang, die Männer über die Herkunft des Blutes zu befragen, erntete jedoch nur hysterisches Kichern und trotziges Schweigen. Die Anordnung der Ärztin, dass sich von diesem Zeitpunkt an alle Mitarbeiter stündlich in Doktor Syntax’ Büro melden sollten, wurde von den dreien gleichmütig aufgenommen.
    Erst als Doktor Syntax persönlich den Raum betrat, um sich das Gekritzel anzusehen, veränderte sich der

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