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Die verschollene Symphonie

Die verschollene Symphonie

Titel: Die verschollene Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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Palazzo Vendramin am Canal Grande in Venedig ein. Doch selbst das konnte das Unvermeidliche nicht hinausschieben.«
     

     
    »Wir haben es versucht, doch es war nicht genug und kam zu spät«, sagte Maddox. »Das schöpferische Feuer hatte den Maestro schon beinahe verzehrt. Die Belastung, solch göttliche Fähigkeiten in sich zu tragen und doch nicht über die Mittel zu verfügen, sie zum Ausdruck zu bringen, war zu groß.«
    »Er führte die Übersetzung an dem Punkt fort, an dem Liszt aufgehört hatte, und versah beinahe das gesamte Buch mit Anmerkungen«, sagte Galen düster. »Damals war er jedoch bereits alt, krank und müde. Schließlich versagte sein Herz, und noch vor Ende des Jahres 1883 war Richard Wagner tot.«
    »Diese ideale Ring- Saga, die er komponieren wollte, ist also eigentlich nie geschrieben worden, oder?«, fragte Marisa.
    »Nein«, sagte Galen und legte den Kopf in die Hände. »Es ist ihm lediglich gelungen, seine Übersetzung zu vollenden, und das reichte nicht aus, um die Scherben einer Oper, die auf dem ursprünglichen Material basieren sollte, wieder zusammenzufügen. Wagner war gescheitert – endgültig gescheitert. Und ich glaubte, dass ich ebenfalls gescheitert sei. Als ich Juda jedoch von den Ergebnissen meiner Nachforschungen berichtete, nahm er das Ganze so gelassen zur Kenntnis, als hätte er es bereits erwartet.«
    »Augenblick mal«, sagte Maddox und runzelte verwirrt die Stirn, »von welcher Übersetzung sprechen Sie?«
    »Von der Übersetzung der Ur-Edda natürlich. Was dachten Sie denn?«
    »Bisher hatten sie noch nicht erwähnt, wie lange er das Buch Ihrer Meinung nach in seinem Besitz gehabt hat«, sagte Maddox. »Deshalb habe ich noch nichts dazu gesagt. Aber eines weiß ich sicher: Er hat es nicht einmal lange genug besessen, um seinen Namen hineinschreiben zu können, geschweige denn es zu übersetzen.«
    »Aber Sie haben gesagt…«, setzte Galen an.
    »Ich sagte, dass er mit neuem Quellenmaterial gearbeitet hat, auf das er bei seinen Nachforschungen im Exil gestoßen war. Ich hatte angenommen, wir sprechen über dieselbe Sache.«
    »Ich habe seine Anmerkungen selbst gesehen«, sagte Galen.»In meinem eigenen Haus hat Langbein mit der Übersetzung begonnen.«
    »Liszt hatte auf unserer Rückreise vom Fernen Osten mit einer Übersetzung der wenigen Bruchstücke begonnen, die er entziffern konnte, und dabei Anmerkungen gemacht. Vielleicht haben Sie die Handschrift verwechselt.«
    Galen schüttelte den Kopf.
    »Ich habe zwei Handschriften gesehen. Die eine gehörte nachweislich Franz Liszt und die andere Wagner. Ich kann mich nicht geirrt haben.«
    »Es tut mir Leid«, sagte Maddox, »aber Sie müssen sich täuschen. Franz und ich sind erst vier Monate vor Wagners Tod aus Indien zurückgekehrt. Er kann das Manuskript höchstens oberflächlich untersucht haben.«
    »Warten Sie«, unterbrach ihn Marisa. »Wenn er das Buch erst kurz vor seinem Tod erhalten hat, was hat er dann all die Jahre als Grundlage für seine Überarbeitungen benutzt?«
    »Wie ich bereits sagte, hat er noch andere Nachforschungen betrieben. In erster Linie arbeitete er jedoch mit einem Buch, das er einem Arzt in Zürich abgekauft hatte. Er hütete es wie seinen Augapfel und trug es stets bei sich. Seiner Meinung nach handelte es sich um ein ziemlich gut fundiertes und sehr ausführliches Kompendium der gesamten großen germanischen Sagen: das Nibelungenlied, die Eddas und die Wölsungensaga. Es war in deutscher Sprache verfasst, obwohl er sich oft beklagte, dass es ein merkwürdiges Deutsch sei, das nicht ganz dem damals üblichen Sprachgebrauch entsprach. Schon allein der Titel des Buches inspirierte ihn zur Arbeit an seinen Opern: Das Buch des Alberich.«
    Galen erstarrte.
    »Haben Sie dieses Buch jemals gesehen, Maddox?«, fragte er nach einigen Sekunden. »Haben Sie gesehen, wie es aussah?«
    »Einige Male. Es war kein besonders auffälliges Buch; dick, ohne Titel, in einem einfachen, pflaumenfarbenen Einband.«
    »So wie der hier?«, fragte Galen, schob das griesgrämige Huhn beiseite und hielt das Buch hoch, auf dem es gehockt hatte.
    Nun war Maddox derjenige, der blass wurde. »Das ist das Buch«, sagte er mit ruhiger Stimme, »wenn auch ein neueres und saubereres Exemplar.«
    »Es ist das einzige Exemplar«, sagte Galen. »Das ist Michael Langbeins Übersetzung der Ur-Edda.«
    »Die Ähnlichkeit ist verblüffend«, sagte Maddox, »aber es kann nicht dasselbe Buch sein – es sei denn, Langbein

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